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Der Ursprung des Namens Schandau (I)

  M. I, Nr. 87; II, Nr. 1 036; 
  nach heimatlicher mündlicher Überlieferung aus den Jahren 1830-1840.

Einst zog eine meißnische Prinzessin mit großem Gefolge elbaufwärts nach Böhmen. Als man die liebliche Talpartie durchritt, wo die Kirnitzsch mündet, zügelte sie ihr Roß und wollte, von der Annehmlichkeit des Orts entzückt, hier einige Stunden rasten. Die herrliche Kavalkade hatte auch die Bewohner des kleinen Dörfchens, das am sogenannten Zaukengraben lag, herbeigelockt. Huldvoll frug sie, wie der Ort hieße. Man nannte ihr einen häßlichen Namen. Da wandte sich die Fürstin mit dem Ausrufe: «Pfui Schande!» ab und ritt flugs von dannen. Der Ort aber heißt seit der Zeit: Schande. (Siehe auch Sage Nr. 210).

Anm.: Diese ätiologische Sage ist sicher alt und einst weit verbreitet gewesen. C. J. Hofmann aus Lohmen hat sie wohl auch gekannt, denn in seinem Buche «Das Meißner Hochland oder die sächsische Schweiz», Lohmen 1842, S. 314, sagt er: «Es giebt noch gewisse unwürdige Traditionen im Munde des Volkes über den Ursprung des Namens dieser Stadt, von Schande geleitet, welche aber wegen ihrer Gemeinheit keiner Erwähnung verdienen.» Die Wissenschaft darf nicht so zimperlich sein. Der sagenhafte Name lautete so, wie der berühmte Erbauer der alten Dresdner Elbbrücke, ein Italiener Matteo Foccio (um 1265), im obersächsischen Volksmunde genannt wurde. Im Meißner Hochlande selbst ist der ähnlich lautende Familienname auch belegt. So erscheint nach dem Hohnsteiner Amtserbbuche von 1547 als Stadtmüller zu Hohnstein Mats Fott oder Matts Fotte. Vielleicht führte der Gründer oder einer der ersten Ortsrichter von Schandau diesen Namen. - Daß man schon in früher Zeit den schwer zu deutenden Namen Schandau (mundartlich «Schande») zu allerhand Spottreden benutzte, zeigen das Sprichwort bei Knauth Prodrom. Misn., 1692, pag. 26г: «Meißnische Ehr und Redlichkeit haben zu Schandau ein Ende» (doppelsinnig, weil Schandau das meißnische Grenzstädtchen gegen Böhmen war), und die Trostverse seines ersten Chronisten, Georg Jentzsch (Lob oder Beschreibung der Chur. Sächs. löbl. Stadt Schandau, Budissin 1677, Vers 35):

«- als Johann Georg der erst einst hat gefragt Und einer außer Ihr den Namen ihm gesagt: Hat er bald ohn Verzug die Antwort drauff gegeben, Sie sey doch Ehrenwert und Billig zu erheben.»

Sämtliche Deutungsversuche des Namens Schandau hat jetzt Pfarrer A. Glootz in seiner vortrefflichen «Schandauer Chronik», 1917, S. 291 ff., zusammengestellt. Ich neige noch am ehesten der Ansicht von Jentsch (in «Über Berg und Tal», Bd. VI, 1900, S. 265 ff.) zu, nach der Schandau ein slawisiertes «auf dem Sande» oder «in der Sandaue» ist oder der Vermutung Götzingers, es könne damit die «Au am Zschande» gemeint sein, wobei allerdings der Name Zschand (Großer und Kleiner Zschand) ehemals auch dem vorderen Kirnitzschtale eigen gewesen sein müßte. Jedenfalls ist die Frage noch unentschieden.

Quellen: