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Das erste Wunder an der Landgräfin Elisabeth

Inniglich liebte Elisabeth ihren Herrn und Gemahl, und wurde so von ihm wieder geliebt, doch vergaß sie darüber nicht Gottes Liebe und Gottes Dienst. Allnächtlich verließ sie ihr Lager, knieete davor und betete inbrünstig, gern gestattete das ihr tugendsamer Herr. Unter ihren schönen Kleidern trug sie stets ein härenes Hemde; den Armen that sie unaussprechlich viel Gutes, und übte sich fort und fort in den Werken der Barmherzigkeit. Sie verfertigte Kleider für die Armen, untersuchte ihre Gebrechen und heilte sie, wo und wie sie konnte.

Da ihr Vater erfahren hatte, daß sie Hochzeit gehalten, wollte er gern wissen, wie es ihr ergehe, beauftragte deßhalb vier edle Männer, die zufällig mit andern Ungarn beschlossen hatten, eine Betfahrt gen Achen zu unternehmen, und diese beschlossen, ihren Weg durch Franken hin und durch Thüringen zurückzunehmen. Da sie nun auf der Heimfahrt waren, kamen sie zur Wartburg, zu schauen, wie es der Tochter ihres Königs ergehe, ob ihr Leben gering, oder ob ihre Herrschaft groß und sie nicht arm sei an Land und Leuten. Gütig wurden die Gäste empfangen, aber in allzugeringen Kleidern erschien Elisabeth vor ihrem Herrn, um mit ihm die Ritter vor sich zu lassen, denn sie trug sich stets einfach, besaß kein schönes Kleid, hatte selbst ihre Brautkleider zerschnitten, einfach gemacht, oder verschenkt. Nun sprach der Landgraf: Ach liebe Schwester, wie schäme ich mich, daß Du nun vor diesen Gästen mit Deinen Kleidern so ärmlich erscheinst, und Dich so sehr um die Armen bekümmerst, daß Du Dein selbst vergißt; jene wollen Dich beschauen als Landgräfin, und Du kommst in so jämmerlichen Gewanden vor sie getreten, daß sie daheim sagen werden, ich ließe es Dir an Kleidern gebrechen; und nun ist nicht einmal Zeit, Dir neue herzustellen, die Dir zu unser beider Ehren zu tragen ziemten. Darauf erwiederte sie: Lieber Bruder, beruhige Dich, ich will mich schon entschuldigen bei meinen Landsleuten, und meine Sachen so gut machen, daß ich ihnen gefallen werde, als ob ich die schönsten Kleider trüge.

Und es traten die Gäste vor das Fürstenpaar, freundlich lächelnd empfing sie Elisabeth, herrlich schien sie vor ihren Augen zu stehen, gleich der reichsten Königin, bunte seidne Gewande schienen die Herrin zu umfließen, Perlen schmückten sie, und manche goldne Zier. Die Gäste freuten sich deß, trefflich wohl gefiel ihnen der Landgraf, seine Frau, sein Schloß und sein Land, zufrieden zogen sie von dannen. Verwundert fragte der Landgraf seine Elisabeth, wie sich das also wundergleich zugetragen mit ihren Kleidern? und sie antwortete: Wie an mir geschehen, ist zu bewirken Gott ein Kleines. Wer ihm vertraut, dem hilft er, dieß war das erste Zeichen, das Gott an mir gethan.

Nicht lange danach zog der Landgraf mit seinem lieben Gemahl und ehrenmäßiger Begleitung vieler Ritter selbst nach Ungarn, mit ihm waren die Grafen Heinrich von Schwarzburg, Günther von Käfernburg, Heinrich von Stolberg, Gottfried von Ziegenhain, Reinhard von Mühlberg, Herr Walter, der Schenk von Vargula, und andere gute Ritter mehr, auch viele Frauen der Genannten, nebst edeln Jungfrauen im Gefolge der Landgräfin. Derselbe richtete noch einmal Hochzeit aus, und übergab seinen Kindern einen überaus großen Schatz an Gold, Silber, Edelgesteinen und Kleinoden, begabte auch herrlich alle Mitgekommenen; und mußte wieder ein neuer Wagen gebaut werden, den Schatz zu tragen, den der König seinem Eidam mitgab. Fröhlich zogen Alle wieder nach Hause, und Herr und Herrin theilten dort manches mitgebrachte Roß, manches Kleinod an die Ihrigen aus.

Quellen: