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Elisabeths Demuth und Erhöhung

Es geschah einst am Tage von Maria Himmelfahrt, daß die Landgräfin Sophia zu ihrer Tochter und Schnur Agnes und Elisabeth freundlich sprach: Laßt uns heute hinunter nach Eisenach gehen in unsrer lieben Frauen Kirche, die Messe singen zu hören von den deutschen Herren, und die Predigt zu vernehmen, schmücket euch beide des hohen Festes würdig mit euern Kränzen, und kleidet euch in Sammt und Seide. Als dies geschehen war, ging die hohe Frau den Wartberg herunter, vor ihr her die beiden Töchter, und hinter ihr das weibliche Gesinde, und in der Kirche nahmen sie einen Stand ein, dem gegenüber ein Crucifix stand. Wie das Elisabeth erblickte, nestelte sie den reichen kostbaren Kranz aus ihrem Haar, legte ihn neben sich auf die Bank, und fiel im bloßen Haar auf die Knie nieder. Darüber sprach zürnend die Landgräfin: Jungfrau Elisabeth, was fällt Euch ein? Wollt Ihr eine neue Regel aufbringen zum Gelächter der Leute? Jungfrauen sollen aufrecht stehen und nicht niederfallen wie eine Unsinnige, oder wie die alten Nonnen, die so faul sind, daß sie nicht stehen wollen! Welche Ungezogenheit beginnt Ihr? Könnt Ihr nicht so lange mit uns stehen, bis wir uns setzen, oder auch niederknieen? Was richtet Ihr Euch nach bösen Sitten, und gehabt Euch wie ein thörichtes ungezogenes Kind? Ist Euch der Kranz zu schwer worden, oder was soll's mit Eurer wunderlichen Art? – Demüthig richtete sich Elisabeth auf und sprach zu ihrer Schwiegermutter: Verargt es mir nicht zu sehr, liebe Frau, denn seht, hier steht zum Erbarmen anzusehen das Christusbild, mit Dornen gekrönt, der süße und milde Heiland. Höhnt ihn nicht meine Edelstein- und Perlenkrone, wenn ich so üppiglich ihm gegenüber stehe? Und sie begann so heftig zu weinen, daß sie den Mantel mit ihren Zähren begoß, knieete wieder nieder, ließ Mutter und Tochter reden, und sprach mit Innigkeit ihr Gebet fort. Halb, um kein Aufsehen zu erregen, und halb aus eigner Rührung knieeten nun auch jene nieder und mußten mit weinen; auch reute bald der Landgräfin die strafende Rede, nur hätte sie gewünscht, es wäre nicht geschehen vor den Leuten, und auch, daß ihr Sohn ein Weib nehmen möchte, das sich gern schmücke, und nicht vor allen Augen so schmucklos immer erscheinen wolle; denn ihr Wille war, daß ihre Schnur gelobt und nicht verspottet werden sollte.

Aber Ludwig wollte sie nicht verstoßen, ja schon dazu war sie ihm zu lieb, sie ob ihrer Demuth mit einem Wort zu strafen; gern ertrug er das an ihr, daß sie eitle Hoffarth mied, und Gott so freudig diente, und als er danach in der St. Georgenkirche zum Ritter geschlagen worden war, und eine Fehde mit dem Bischof von Mainz ausgekämpft hatte, hielt er mit seiner tugendsamen Jungfrau Elisabeth fürstliches Beilager. Da wurden alle Grafen und Herren in Thüringen und Hessen eingeladen, und ward eine große Hochzeit ausgerüstet mit Gastmahlen und Turnieren. Festlich wallte der Zug von der Wartburg herab nach Eisenach in die Kirche; im schönsten Schmuck ging da die Braut, und es führten sie, die sich diese Ehre nicht nehmen ließen, Graf Reinhard von Mühlberg und Ritter Walter von Vargula, die sie einst aus Ungarn geführt, und meinten, nun erst sei jene Reise ganz vollbracht. Eine schöne Messe ward gesungen, dann ging es wieder hinauf zur Wartburg, wo sich alle Gäste höchlich vergnügten. Die jungen Ritter brachen mit einander manchen Speer, und die Braut mit andern Jungfrauen theilten Preise aus. Drei Tage währte die Hochzeit, dann schieden fröhlich die Gäste, Ritter und Damen von dannen und zogen wieder ihrer Heimath zu.

Quellen: