<<< zurück | 5. Kapitel: Irrlichter, Kobolde, Luttchen, Zwerge | Weiter >>>

Der Irrwisch bei Gehren

Am „wendschen Dikeken“, einem Wasserloche bei der Tiefelsmühle, spukte ein Irrwisch. Einmal war der alte Ast lange Zeit bei Tiefels gesessen und hatte ein Pillechen getrunken. Als er nach Hause ging und bis ans wendische Dikeken kam, leuchtete vor ihm ein Irrlicht. Da ging er hinter dem her und kam in die Drehe. Und je länger, umsomehr kam er in die Drehe, und auf einmal fiel er in ein Torfloch, da wo es anfing. Da jammerte der alte Ast und bittete das Irrwisch, es sollte ihm doch wieder rausleuchten; denn er wurde krank, wenn er so lange im Nassen läge. Er wollte dem Irrwisch auch zwei Silbergroschen geben, wenn er ihm bis nach Hause leuchten würde. Das Irrlicht tat ihm den Gefallen und leuchtete ihm, bis er vor der Hoftüre stand. Aber als er die Hoftüre aufgeklingt hatte, sagte er zu dem Irrwisch: Ick wär dich wat schäten! schlug die Türe hinter sich zu, riegelte ab, lief in sein Haus und kroch ins Bette. Aber er konnte gar keine Ruhe finden und schmiß sich immer hin und her. Da sagte seine Frau zu ihm: Vater, was ist dich denn, du kriegst ja gar keene Ruhe nich. Er sagte zu ihr: Mich ist so anders, ich werde gehen und mich ein Paar Hosen abziehn. Da sagte sie: Trek dich man die Hosen garnicht erst an, du kannst int Hemde rausgehn.“ Der Abtritt war dicht bei der Haustüre an der Mistkante und hatte bloß eine Stange. Wie nun der alte Ast auf den Hof kam, erschrak er sich sehr; denn das Irrlicht war auf den Hof gekommen und nahm ihn und schmiß ihn in die Jauchkute, so daß er bis an den Hals drin saß. Nun konnte er wieder nicht alleine heraus, und weil auf sein Schreien keiner kam, fing er an, den Irrwisch zu bitten und zu flehen, er möchte ihm doch nur noch einmal helfen, er wolle gern alles Geld bezahlen und noch einen Dreier dazugeben. Erst wollte das Irrlicht ihm nicht helfen, weil er aber so sehr quälte, tat es ihm den Gefallen. Nun lief er ins Haus, holte die zwei Silbergroschen und den Dreier und schmiß es dem Irrlicht hin und das verschwand. Weil er aber so gestunken hatte, als er in der Stube im Tischkasten nach dem Gelde suchte, waren die Weiber munter geworden und kamen aus dem Hause und plumten ihn ab. Von da ab ging der alte Ast nicht mehr bei Dunker am „wendschen Dikeken“ vorbei.

Quelle: Robert Scharnweber & Otto Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau N.-L., Berlin 1933