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Der dankbare Schuldner

  M. I, Nr. 68; II, Nr. I 266; 
  Flachs, Pirnaer Sagen und Geschichten, 1918, S. 12; 
  Gräße, Bd. I, Nr. 217, 
  Curiosa Saxonica, 1736, S. 72 
  (nach D. Mauritii Brandts Chronica, S. 575).

Im Jahre 1267 ist Graf Rudolf von Habsburg aus Schlesien nach Pirna im Lande Meißen mit einigen Dienern gekommen, und weil ihm unterwegs sein Geld alle geworden, er solches auch von Hause aus nicht so schnell hat bekommen können, hat er abends den regierenden Bürgermeister Paul Strauske zu sich zur Mahlzeit laden lassen und ihn dabei angesprochen, ob er ihm nicht bei dem Rate zu Pirna 200 Schock Geldes zuwege bringen könne, weil er solches auf seiner Reise jetzt höchst benötigt sei; er wolle ihnen solches nicht al. lein mit Interessen getreulich wieder erlegen, sondern auch solche Freundschaft also mit Dankbarkeit vergelten, daß es die Nachkommen genießen sollten. Der Bürgermeister entschuldigte sich zwar hierauf des Rats wegen mit Vorwendung vieler Ausgaben bei der damaligen Zeit, da auch die Ratskammer sehr erschöpft sei; doch versprach er, solches Ansinnen dem Rate vorzutragen und dabei so viel zu tun, als ihm möglich. Das geschah auch, und der Rat zahlte ihm des andern Tages 200 Schock guter Münze alsbald aus. Ob nun zwar wohl der Graf sich verschrieben, innerhalb der Jahresfrist solches Geld dem Rate wieder auszuzahlen, konnte er es doch auf die bestimmte Zeit nicht bewerkstelligen, weil seine Erwählung zum Kaiser (1273) nebst anderen Kriegshändeln dazwischenkam. Er kam darauf 1273 selbst persönlich von Eger nach Pirna, ließ den ganzen Rat vor sich fordern und traktierte denselben aufs freund-lichste, erinnerte sich dabei an seine Schuld und ließ ihm 300 Schock Geldes dafür aufzählen, welches aber der Rat nicht annehmen wollte, weil es samt den Zinsen nicht so viel betrüge, wollte es ihm auch als ihrem gnädigen Kaiser schenken; der Kaiser aber wollte nicht und nötigte sie, bis sie endlich 200 Schock von ihm annahmen. Dafür bedankte er sich aufs freundschaftlichste, daß sie ihm dazumal in der Not so willig beigesprungen und ihm als einem Fremden die 200 Schock anvertraut, begnadigte auch die ganze Stadt mit besonderen Freiheiten und verordnete unter anderen, daß, so oft eine Pirnaische Jungfrau heiraten würde, ihr aus seiner kaiserlichen Kammer 30 Schock Geldes zum Heiratsgut ausgezahlt werden solle. So soll er gleichfalls auch der studierenden Jugend in Pirna verschiedene Stipendia verordnet haben. Es gedenket auch der obengedachte Autor, daß kurz nachher, als der gefährliche Krieg zwischen dem Kaiser und dem König Ottokar zu Ende gegangen und der Kaiser ganz Böhmen, Österreich, Lausitz und Meißen an sich gebracht hatte, er mit Ernst befohlen hatte, daß die Stadt Pirna allein von allen Kontributionen frei blieb. Als er aber zur Kaiserkrönung sich nach Speyer aufmachte, hat er unterwegs zu Graf Friedrich von Hohenstaufen gesagt: «Nun wollen wir uns gegen die liebe Stadt Pirna recht dankbarlich verhalten, wegen ihrer redlichen Treue und Aufrichtigkeit, so sie gegen uns erzeiget, und soll sie erfahren, daß, wie sie in meiner Not mein Vater gewesen, ich auch ihr Vater und Helfer sein will.»

Anm.: Diese Sage scheint eine pure Erfindung des berüchtigten «Historicus» Abraham Hoßmann zu sein, der sich 1616 dem Rate zu Pirna gegenüber erbot, eine Chronik der Stadt Pirna zu schreiben. Eine ganz ähnliche Erzählung vom Grafen von Habsburg gibt es in Baruth. Auch von einem Görlitzer Bürger wird sie berichtet.

Quellen: