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Das Häuschen auf dem Kleinen Winterberge

  M. I, Nr. 88; 
  Jccander, Kurtzgefaßtes Sächs. Kern-Chronikon, 96. Couvert, Nr. III, S. 277 ff., 
  nach einem Briefe datiert Sebnitz, den 26. Januar 1728.;
  Abweichend bei Weiße, Topographie von Hohnstein, Magdeburg 1729, S. 29.;
  Dielhelm, Antiquarius des Elbstroms, Frankfurt a. M. 1741, S. 18 1 f.; 
  Götzinger, Geschichte des Amtes Hohnstein, 1786, S. 468 ff.; 
  Gräße, S. 174; 
  poetisch behandelt bei Hofmann, Das Meißner Hochland, S. 373 ff.; 
  Ziehnert, 1881, S. 520.

Als der theuerste Churfürst Augustus, An. 1578 (offenbar Druckfehler für 1558) von der Käser-Wahl Ferdinandi I. von Franckfurth durch Böhmen über Prage … auf Sächs. Grund und Boden in allen hohen Wohlsein retourniret, so geruheten dieselben so gleich an denen Gräntzen einige Tage sich mit Jagen zu divertiren, da es denn geschehen, daß in der sogenannten Ottendorffer Heyde, eine Stunde von Sebnitz, auf dem steilen WinterBerge, so um diese Gegend einer der höhesten ist, Sr. Churfürstl. Durchl. von dero Jagd-Bedienten, ein überaus großer Hirsch (Götzinger berichtet, einige behaupteten, er sei von weißer Farbe gewesen) zugetrieben wird, welchen zu Fuß zu verfolgen, um solchen unter den Schuß zu bekommen, sie sich gnädigst gefallen lassen. Nachdem nun erwehntes Stücke Wild, auf einen hohen Felsen, dessen oberste Gleiche im Umfange kaum 30 Schritte, die Höhe aber gegen den Grund zu rechnen, wohl etliche hundert Klafftern betragen mag, als wohin neben einem noch viel höhern Felsen, ohngefähr eine Elle breite Passage gehet, sich reteriret und wegen der entsetzlichen Klufft, so zwischen diesen und umliegenden Felsen vorhanden, nicht weiter setzen können, so machet es Miene, sich wieder dahin zu wenden, wo es hergekommen, und sein Leben durch anderweitige Flucht zu salviren, deme aber Ihro Churfürstl. Durchl. mit aufgezogenen Pürsche (= Büchse) den Paß verrennet. Sonder Zweiffel würde es damahln um das Leben einer so durchl. Person seyn gethan gewesen, anerwogen Selbige allen augenscheinlichen Mutmaßungen nach, durch den Hirsch den Felsen herunter wären gestürtzet worden, daferne Ihro Churfürstl. Durchl. als ein Herr, der in seiner Jugend an den selbiger Zeit galantesten und berühmtesten Böhmischen Hofe erzogen, daselbst in allen Arten derer Ritterspiele vortrefflich geübet, und in dergleichen vorfallenden Gelegenheiten ganz unvergleichlich war, nicht sogleich die behertzte und großmüthige Resolution gefasset, unter Sprechung dieser Worte: Entweder ich treffe dich, oder du bringst mich ums Leben, loßzudrücken, und zwar mit so glücklichen Succeß, daß der Hirsch, indem er getroffen worden, einen Satz in die Höhe thut, und rücklings den Felsen hinabstürtzet, dermassen, daß nach erfolgter Aufhebung und Besichtigung an selben alles ganz zerschmettert befunden worden. Zum stetswährenden Andenken dieses durch Heldenmäßigen Entschlus aus Vorsehung des Höchsten beschehenen glücklichen Schusses, und augenscheinl. Lebens-Errettung haben Ihro Churfürstl. Durchl. Herr Sohn, Churfürst Christian, nicht allein an dem Orte, wo der Hirsch gefället worden, eine 3 Ellen hohe und anderthalb Ellen breite steinerne Tafel mit ausgehauenen Churfl. Sächs. Wappen, und beygefügten Jahr-Zahl 1558 setzen, und dem erhöheten Ab-satze des Felsens, den Durchl. Nahmen Augustus nebst nochmahliger Jahr-Zahl 1558 anschreiben, sondern auch auf den schon men-tionirten praeter propter 15 Ellen höher gelegenen Felsen ein Jagd-Hauß erbauen, und zu oberst auf dem Dache die Geweihe aufrichten zu lassen gnädigst geruhet. -

Anm.: Die Sage hat O. Lehmann in «Über Berg und Tal», 1886, S. 2 ff., auf ihren historischen Kern zurückgeführt. Darnach trägt die nüchterne Weiße'sche Darstellung, nach der der Kurfürst bei seinem Abenteuer nicht in Lebensgefahr war, den Stempel größerer Glaubwürdigkeit. Dort sind auch die lateinischen Verse, die Mag. Justus Sieber, «gekrönter kaiserlicher Poet» und Pfarrer zu Schandau, gemacht und die der Kurprinz Christian im «Winter-Häußgen» hatte anbringen lassen, nebst einer deutschen Ubersetzung von Weißes Sohn aus dem Jahre 1725 abgedruckt. Als das Häuschen im 18. Jahrhundert verfallen war, wurde 1818 ein neues, aber ohne Türen und Fenster, gebaut; auch die alte Inschrift über der Tür wurde wieder angebracht.

Quellen: