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Die Spukgeister bei der Sebnitzer Papierfabrik

  M. I, Nr. 23, 
  nach dem Volksmunde und der Beilage zum Sebnitzer Grenzblatt Nr. 30 vom 11. März 1893; 
  M. II, Nr. 75.

Zwischen den sogenannten „Neuen Scheunen“ und der Papierfabrik an der Straße von Sebnitz nach Schandau ist es nicht geheuer. Wer in der Mitternachtsstunde dort vorübergeht, dem begegnet ein großer, schwarzer Hund mit feurigen Augen, der niemand etwas zuleide tut, wenn man ihn nicht neckt, im Gegenteil sich aber hart an die Fersen des Neckenden heftet und ihm wohl gar mit den Pfoten auf die Schultern springt. So erzählt man sich, daß einem Fuhrmann, der sich erkühnte, mit der Peitsche nach ihm zu schlagen, dieselbe plötzlich mit Gewalt aus der Hand gerissen worden war und er außerdem noch zu tun hatte, die beim Anblick des gespenstigen Tieres zitternden Pferde im Zügel zu halten.

Ein anderer Mann, der den gespenstigen Hund die sogenannte Schulleite hinausstürmen sah, war so gottvergessen, ihm auf einem Erbschlüssel zu pfeifen. Sogleich machte das Tier kehrt und kam hoch durch die Luft auf ihn zu. Dem Manne standen die Haare zu Berge. Sein Begleiter entriß ihm noch rechtzeitig den Schlüssel, pfiff auf der anderen Seite durch denselben, und das Tier stürzte machtlos in die nahe Sebnitzbach.

Andere wollen einen kopflosen Mann mit einer Sense gesehen haben. Der Sage nach soll in der Gegend der heutigen Papierfabrik oder auf der nördlich gegenüberliegenden Höhe vor alter Zeit ein Kloster gestanden haben und davon noch deren Name „die heilige Leithe“ herrühren. Abt und Mönche sollen in demselben ein gottloses Wesen getrieben haben, und so soll denn eines Nachts dasselbe zur Strafe dafür samt den Missetätern versunken, der Abt selbst aber in einen Hund verwandelt und zu jener allnächtlichen Wanderung verdammt sein.

Der Hund war auf viele Jahre gebannt, späterhin aber ist er wieder einigen Frauen begegnet und hat dabei den Kopf zwischen den Vorderbeinen getragen.

Am 15. April 1835 ging der Webermeister Adam aus Sebnitz noch spät abends in Geschäften nach Hofhainersdorf. Auf dem Rückwege, den er erst in der Mitternachtsstunde antreten konnte, gewahrte er auf der Straße unterhalb der „heiligen Leithe“ plötzlich eine "schlohrweiße" Frau. Er bot ihr einen guten Abend und wollte sie eben nach dem Weg fragen; da wächst sie plötzlich riesengroß und schreitet auf ihn zu, als ob sie ihn umarmen wollte. Ebenso schnell aber war sie wieder verschwunden. Unsern Meister trieb die Angst rasch heimwärts. Bei den „Neuen Scheunen“ hörte er es „wie mit lauter Wagen mit Kettengerassel den Berg herunterkommen“. Erst bei der Drehbrücke verschwand der Spuk. Der Mann war darauf ein paar Tage krank. Übers Jahr, wieder im April, kommt der Mann um dieselbe Stunde von Hainersdorf. Auf der Wiese ei dem „Büschel“ sieht er etwas Weißes liegen. Er geht darauf los; plötzlich stürzt ein weißer Pudel auf ihn zu und wird groß und immer größer „wie ein Weberstuhl“ und - „weg war's“. Wie der Meister heimkommt, sieht er in den Kalender; es ist wieder der 15. April; er sagt weiter nichts, geht zu Bett und liegt vier Wochen auf einer Stelle. Später hat er nichts mehr gesehen.

Anm.: Erbstücke haben Gewalt über die Elemente und über Gespenster. - Ein Kloster hat in oder bei Sebnitz nie gestanden. Der Name „heilige Leithe“ rührt davon her, daß dieser Berghang früher der Kirche zustand (Pfarrerwidemuth) oder von der Alt-Sebnitzer Sitte, daß man im Frühling dorthin zog, um zuerst den Kuckuck schreien zu hören. Ein solcher Platz galt nach altem deutschen Volksglauben als heilig. Vgl. hierzu Meiche, Das Flurbild von Sebnitz (Obersächsische Heimatstudien, Heft 3), 1925, S. 21f.

Quellen: