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Das Häuschen auf dem kleinen Winterberge

  Jccander, Sächs. Kernchronik XCVI. Paq. S. 277f. 
  Gräße, S. 174. 
  Poet. beh. bei Hofmann S. 373f. 
  Ziehnert, 1881. G. 520.

Im Jahre 1558 hat Kurfürst August in der sog. Ottendorfer Haide eine Stunde von Sebnitz eine große Jagd gehalten, und ist ihm auf dem steilen kleinen Winterberge ein überaus großer Hirsch zugetrieben worden, den er zu Fuß verfolgt hat, um ihn zum Schuß zu bringen. Nachdem nun erwähntes Stück Wild sich auf einen hohen Felsen geflüchtet, dessen oberste Fläche kaum 30 Schritte im Umfange hält, während die Höhe nach unten wohl etliche 100 Klafter (?) beträgt, überdies dahin neben einem noch viel höheren Felsen ein nur ohngefähr eine Elle breiter Pfad führt, und das Tier wegen der entsetzlichen Kluft, so zwischen diesem und den umliegenden Felsen vorhanden, nicht weiter seßen können, hat es Miene gemacht, sich wieder dahin zu wenden, wo es hergekommen, und sein Leben durch anderweite Flucht zu retten; da hat ihm Se. Kurfürstl. Durchlaucht mit aufgeworfener Büchse den Paß verrennet. Sonder Zweifel wäre es aber um das Leben des Kurfürsten geschehen gewesen, da der Hirsch ihn sicherlich den Felsen hinabgestürzt hätte, hätte derselbe als ein in allen Arten ritterlicher Künste wohlerfahrener und gewandter, beherzter Herr nicht seinen Entschluß gefaßt und unter den Worten: „Entweder ich treffe Dich oder Du bringst mich ums Leben“ losgedrückt, und zwar mit so glücklichem Erfolge, daß der Hirsch, indem er getroffen ward, einen Satz in die Höhe that und rücklings den Felsen herabstürzte, an dessen Fuß er ganz zerschmettert gefunden ward. Zum ewigen Gedächtnis dieser wunderbaren Errettung des Kurfürsten hat aber sein Herr Sohn, Kurfürst Christian, nicht allein an dem Orte, wo der Hirsch gefällt worden, eine 3 Ellen hohe und 11 Ellen breite steinerne Tafel mit ausgehauenem Kurf. Sächs. Wappen und beigefügter Jahreszahl 1558 anschreiben, sondern auch auf dem erwähnten ohngefähr fünfzehn Ellen höher gelegenen Felsen ein Jagdhaus erbauen und zu oberst auf dem Dache das Geweihe des Hirsches aufrichten lassen. Dieses Häuschen ist späterhin in Verfall gekommen und dafür 1818 der noch jetzt stehende achteckige Pavillon gebaut worden.

Quelle: Sagenbuch der Sächsischen Schweiz; Herausgegeben von Alfred Meiche, Leipzig 1894, Verlag von Bernhard Franke