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Die Clausthaler Münze

Die Clausthaler Münze hatte in alten Zeiten einmal lange stillgestanden und war kein Geld darin geschlagen, weil es nicht richtig darin war. Da haben denn die Andreasberger und Wildemänner Münzen desto mehr tun müssen und davon rühren noch immer die Wildemänner Münzen und Andreasberger feinen halben und ganzen Gulden, Sechsgroschenstücke, Mariengroschen und Pfennige her. Nun werden sie seltener. Nur bisweilen sieht man noch das feine Silbergeld in Sparbüchsen und als Rarität. Wildemänner und Andreasberger Pfennige werden aber noch oft in großen Mengen bei Kartenspielern gefunden. Es wird nicht um Einzelne gespielt, nein um Dutzende, um zu sehen, wie viel einer gewonnen oder verloren hat. Wenn das Spiel vorbei ist, so wandern sämtliche Pfennige entweder in einen Beutel oder in eine Probenbüchse bis zum nächsten Spieltag. Gut das.

Na, die Clausthaler Münze musste lange Zeit eingestellt werden, weil keiner darin bleiben konnte. Alle Nacht kam einer darin ums Leben. Da war es denn natürlich, dass am Ende keiner mehr darin wohnen blieb und ohne Wache konnte doch die Münze auch nicht bestehen. Lange Zeit war hingegangen, und kein Geld mehr darin gemünzt. Da kam einmal ein vornehmer Herr zum Besuch beim Berghauptmann. In der Unterhaltung kam die Rede auch auf die eingestellte Münze, dass keiner sich unterstünde, darin zu bleiben, und sie deswegen eingestellt wäre. Da sprach der vornehme Herr, er wolle es einmal versuchen. Der Berghauptmann wollte seinen Freund erst nicht hinlassen, nachher gab er es aber doch zu. Am folgenden Morgen fand man den armen Menschen tot in der Münze, auf dem Hof lagen aber seine Beine, die ihm ausgerissen waren.

Kurze Zeit darauf kam ein Soldat hier nach Clausthal, hörte die Geschichte von der verwünschten Münze und wollte sie erlösen. Aber auch er wurde tot herausgebracht. Sein Kopf lag am anderen Morgen beim Rumpf. Zuletzt kam ein fremder Bergmann zugereist, der war klein und buckelig, aber höllisch dreist und pfiffig gewesen. Der ließ sich des Abends in die Münze schließen. Vorher hatte er sich aber zwei Lichter, zwei Degen und zwei geladene Pistolen und die Bibel hinbringen lassen.

Des Abends steckte er seine Lichter an und setzt sich oben auf die Justierstube, legte seine Waffen zurecht und las in der Bibel. So nach elf Uhr kam eine Gestalt zur Tür herein, die war länger gewesen, wie die Stube hoch, blieb dann erst stehen. Als sich aber der Bergmann in seinem Lesen nicht stören ließ, setzte sie sich neben ihn auf den anderen Stuhl, hörte und sah ihm zu. Dem Bergmann wurde aber doch bei der Gesellschaft grün und gelb vor den Augen. Zur Vorsicht hatte er die Hand an der Pistole. Damit, dachte er, wäre er geschützt. Die Gestalt regte sich nicht, bis es zwölf schlug, dann ging sie ruhig zur Tür hinaus. Von da ging die Nacht ruhig hin. Nichts ließ sich weiter sehen noch hören. Die zweite Nacht ging ebenso hin. Als es aber in die dritte Nacht kommt, da dachte der Bergmann: Diese Nacht geht es dir ans Leben. Die Nächte hindurch hat dich die Gestalt nur sicher machen wollen. Du sollst deshalb gleich von vornherein laut in der Bibel lesen, damit die Gestalt das Gotteswort hört. So lässt sie sich dadurch wohl zwingen.

Richtig. Elf Uhr kam die Gestalt wieder, ihr ganzes Wesen war aber sehr gefährlich.

Da las der Bergmann eben die Worte: »Tut Buße usw.«

Da fing die Gestalt an zu reden und sprach: »O du glücklicher Mensch, der du ausersehen bist, einen unglücklichen Geist zu erretten. Ich sage dir, die Engel werden sich über dich und mich freuen, denn du hast mich zur Buße geführt. Du hast mich aus den Krallen des Teufels erlöst. Wisse, ich bin der vorige Münzmeister, der so viel betrogen und so viel Silber über die Seite geschafft hat, und der sich selbst das Leben nahm. Komm mit, ich will dich reich machen dafür, dass du mich zum Geständnis gebracht hast.«

Er ging mit ihm hinab in den Pferdegaipel und zeigte ihm in der Ecke einen Stein. Den möge er in die Höhe heben, so würde er unendliche Schätze finden. Er aber würde sich nie wieder sehen lassen und nun könne wieder gemünzt werden. Von da an hatte der Bergmann genug gehabt, und die Münze war wieder in Gang gekommen, bis dahin, dass sie nach Hannover verlegt wurde.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862