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Das Männlein auf dem Gefluter

Im achten Clausthaler Pochwerk hatte einst einmal ein Nachtschichter gepocht, der tat gern was, wenn er musste. Daher wünschte er sich, dass doch einer für ihn pochte. In der Nacht, so gegen Pfingsten, war auf einmal abgeschützt worden, und das Pochwerk stand gleich still. Der Nachtschichter ging aufs Gefluter und wollte wieder anschützen. Da saß oben ein kleines Männchen darauf und sagte zu ihm: »Ruhe dich, ich poch für dich!«

Dabei fragte es, wie es denn hereinpochen sollte. Da sagte der Nachtschichter, es solle nur arm hereinpochen. Danach ging er ins Kämmerchen und legte sich aufs Ohr.

Das Männlein weckte den Schläfer und gab ihm ein Goldstück und sagte: »Verrätst du mich, so poch ich dich!«

Am anderen Morgen waren alle Kästen voll von armem Schlieg.

Der Steiger wunderte sich und fragte, wie der Nachtschichter das angefangen habe, und sprach: »Ja besser wär’s, wenn es nun gleich reicher Schlieg wäre.«

Am zweiten Abend ging es wieder so, da sagte aber der Nachtschichter, er möchte nun reichen Schlieg haben. Alle Kästen waren am folgenden Morgen voll vom reichsten Schlieg. Am dritten Abend wurde um elf Uhr abgeschützt, der Nachtschichter ging wieder aufs Gefluter und fand da das kleine Männchen und dankte ihm für seine Arbeit und sagte dabei, wenn es nur immer so ginge.

Das Männchen sagte: »Verrat mich nur nicht, ich tue meine Pflicht.«

Das tat denn auch der Nachtschichter lange Zeit, denn er hatte es dabei gut gehabt, und sein Steiger hatte die meisten Röste geliefert, und sein Pochwerk war in kurzer Zeit das Beste geworden. Darüber wolle das Bergamt Aufschluss haben, damit es in anderen Pochwerken auch so gemacht werden konnte. Der Steiger wurde gefragt, der wusste es aber nicht und fragte den Nachtschichter, der aber wollte mit der Sprache nicht heraus.

Endlich kamen die Herren zu dem Pochwerk, der Oberbergmeister, Pochverwalter, Obersteiger und noch andere. Da sollte der Nachtschichter bekennen, wie er es anfing, so viel und so reichen Schlieg zu schaffen. Er wollte und wollte erst nicht daran, denn auf dem Schrank saßen zwei kleine Männchen. Das eine drohte, er solle es nicht verraten. Das andere winkte, er solle es sagen. Endlich, weil sie ihn alle so anhauchten und abkanzelten, ja mit Absetzen und Verbrennen drohten, weil er ein Hexenmeister wäre, so sagte er es.

Da waren die Männlein weg, und die Herren ebenso klug wie vorher, denn das hatten sie nicht einrichten können. Des Nachts um elf Uhr wurde wieder abgeschützt. Der Nachtschichter ging hinauf zu dem Geschütz, und das Männlein war wieder dabei und fragte, was es pochen sollte. Da sagte der Nachtschichter, die Herren hätten ihn gezwungen, es sagen zu müssen, und nun wolle er ihnen auch einen Streich spielen. Diese Nacht möchte das Männchen Fleisch und Blut hereinpochen.

»Ja«, sagte das Männchen. Das hätte es sich auch schon vorgenommen. Darauf legte sich der Nachtschichter hin. Kurz vor elf Uhr war der Nachtsteiger da gewesen und hatte mit dem Nachtschichter gesprochen. Um elf Uhr kam der Nachtsteiger wieder, da haute das Pochwerk, er ging hinein und siehe da, der Nachtschichter lag unter den Stempeln und war zerstampft worden. Da kam man gleich darauf, dass ihn das Männchen untergeschürt hatte.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862