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Der Zwerge Krieg

Ein Bergmann war nach Lautenthal unterwegs gewesen. Als er an die Berge kam, da wo die Lautenthäler Teiche liegen, hörte er einen Tumult, ein Schreien und Wehklagen, ein Rufen und Toben, als wenn kleine Jungen was vorhaben miteinander. Er ging näher und sah, dass der Teich weg und eine große Wiese da war, auf der zwei Heere Zwerge Krieg führten. Große Scharen kämpften miteinander mit Säbeln und Dolchen, andere Scharen rückten im Sturmschritt aufeinander los und hauten mit ihren kleinen Schwertern wütend aufeinander ein, dass haufenweise die Toten und Verwundeten umherlagen und jammerten und klagten. Es war ein Ringen und Fechten, dass es bei Großen nicht gut schlimmer sein konnte. Dabei ein Trompeten und Trommeln, als wie es die kleinen Jungen wohl machen auf ihren kleinen Trompeten und Trommeln, und das ging alles wild durcheinander. Schießen konnten sie aber nicht, denn das Pulver und die Gewehre waren noch nicht erfunden. Dafür stachen und hauten sie sich aber ohne alle Gnade nieder. Keiner gab und nahm Pardon.

Als der Bergmann so zusah und sich über den Mut der Kleinen wunderte, kamen zwei Zwerge auf einem freien Platz zusammen, die hatten schöne Röcke an und starrten von Gold und Silber. Auch hatten sie kleine Kronen auf dem Kopf und kleine funkelnde Sterne auf der Brust. Der eine war ein bisschen größer als der andere und auch stärker. Deswegen warf er bald den Kleinen auf den Boden. Da aber sprang der Bergmann zu und gab dem Größeren mit seinem zackigen Stock eins über den Kopf, dass der auch zu Boden stürzte und bald, nachdem er noch ein Weilchen gezappelt hatte, starb.

Nun kamen die anderen Zwerge, die dazugehörten, und wollten dem Bergmann zu Leibe, weil er ihren König totgeschlagen hatte. Der Bergmann mähte aber dermaßen dazwischen, dass es eins, zwei, drei ging. Da waren sie in den Wald gejagt. Nur das eine Heer stand da noch, dessen König von dem Bergmann errettet war. Da kamen sie alle um ihn herum und küssten ihm Hände und Füße, ja sie wussten gar nicht, wie sie ihm dankbar genug sein sollten. Der kleine König aber trat vor und befahl, die anderen sollten einmal zurücktreten. Er wolle seinem Retter danken und etwas sagen. Ehrfurchtsvoll trat alles zurück, und der kleine König kam und dankte mit hübsch gesetzten Worten. Ja, sagte er, hier könne er nicht genug danken, er möchte doch so gut sein und mitgehen zu seinem Palast, dann wolle er ihn erst königlich belohnen.

Der Bergmann ging mit, und sie kamen miteinander vor eine Höhle, da ging’s hinein; dann in einem langen Gang fort und zuletzt in einen schönen Saal hinein. In dem Saal standen lange Tafeln, darauf standen Teller, Leuchter und Schüsseln von purem, reinen blanken Silber. Die Wände glänzten von Spiegeln und Edelsteinen, und es war eine Helligkeit und eine Pracht, wie es nur in einem Königssaal sein kann. Da kamen denn auch die vornehmen Herren, die zu dem Zwergkönig gehörten, alle mit Gold- und Silbertressen an den Röcken, und der Bergmann hatte feine Sonntagshose und -kittel an, und seinen Schachthut auf, wie man es damals trug. Aber trotzdem musste er sich oben an setzen neben den König, und einer rühmte den Bergmann noch mehr als der andere, der König aber am meisten. Es wurde gegessen und getrunken, und der Bergmann sprach dem Braten und dem Wein tüchtig zu, sodass zehn königliche Diener für den allein immer auftragen mussten. Es fehlte aber an nichts, man wurde auch fröhlich und guter Laune. Das gefiel dem Bergmann erst recht und er sagte, das wäre wie auf einer Hochzeit. Auch ließen die Zwerge ihn hochleben und er den König und sein ganzes Volk. Kurz, sie wurden alle fröhlich und vergnügt. Am Ende stand man vom Tisch auf, und er wollte nun nach Hause.

»Noch nicht«, sagte der König, »erst muss ich dir was zeigen, auch muss ich dich erst belohnen. Komm mal her.«

Er ging mit ihm in seine Silberkammer. Da hätte denn einer den Reichtum sehen sollen! Nein, so viel Gold und Silber kann kaum auf der ganzen Welt sein.

»Nun«, sagte der König, »nimm was und wie viel du magst, und wenn du alles mitnimmst. Je mehr du nimmst, desto mehr freue ich mich.«

Der Bergmann ließ sich nicht zweimal nötigen. Er steckte sich seine Taschen so voll, dass sie bald abrissen. Da gaben ihm die Zwerge auch noch die Krone und das Zepter von dem König, der besiegt und tot war.

Als nun der Bergmann Abschied nahm, da weinte das ganze kleine Völkchen. Unter Tränen baten sie ihn, er möchte doch bald einmal wieder kommen. Es wurde ihm ordentlich wehmütig zu Sinn, als er die kleinen, guten Leute verlassen sollte, noch saurer wurde es ihm aber, den Lautenthäler Berg mit der Last hinaufzusteigen. Froh und vergnügt kam er nach Hause, machte das Silber zu Geld und verkaufte die Krone und das Zepter an den Herzog von Braunschweig. Wenn ihm etwas fehlte, so suchte er seine kleinen Freunde auf, die halfen ihm jedes Mal. Er hat aber keinem Menschen das Loch gesagt, worin der Zwergkönig wohnte. Das mochten sie ihm wohl verboten haben. Seine Familie aber ist noch vor Jahren recht wohlhabend gewesen, nachdem er schon lange tot war.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862