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Der Schatz im Stall

Mitten in Zellerfeld hatte einmal eine Frau gewohnt mit Namen K., die lebte von ihren Kühen. Bei ihr war die beste Butter, der fetteste Käse und immer Milch zu haben gewesen. Die Milch hatte zwar manchmal einen Stich ins Blaue gehabt. Man war aber froh gewesen, dass man sie bei ihr hatte kaufen können.

Mit her Rechtlichkeit hatte es die Frau K. aber auch nicht immer sehr streng genommen. Ja, es war oft das Gerede gegangen, sie betröge, wo und wie sie könne. Es musste aber auch was dran sein, denn ihr Vermögen war nachher so groß, dass sie es unmöglich mit dem Lohn ihres Mannes, der schlichter Bergmann war und den Milch- und Butterpfennigen soweit hätte bringen können. Mit ihrem Mann, der ein frommer Stümber war und das Unrecht oft nicht mit ansehen konnte, lebte sie oft in Eifer und da gab es denn zuweilen Backpfeifen.

So ging eine Woche und ein Jahr nach dem andern hin und der arme Mann trug ruhig seine Last und sprach zu keinem davon. Da wurde mit einem Mal die Frau so schrecklich krank, dass ihr kein Doktor helfen konnte und nach vierundzwanzig Stunden tat sie einen schrecklichen Schrei und weg war sie. Der Mann grämte sich und trauerte darüber, hörte aber auch wieder auf. Er nahm sich ein Mädchen, das besorgte ihn und seinen Kuhstall und alles ging seinen guten Gang in dem Haus, ja besser als vorher. Eines Abends war das Mädchen im Stall und melkte die Kühe, da ging die Stalltür auf und herein trat die vor einiger Zeit gestorbene und begrabene Frau K. und reichte ihm die Hand. Vor Schreck ließ das Mädchen den Eimer mit der Milch fallen und lief, ohne die Hand anzurühren, gleich zu seinem Herrn ins Haus.

Der hatte aber von dergleichen Erscheinungen schon gehört und sprach: »Jetzt kann uns das Hinausgehen nichts helfen, denn meine Frau ist verschwunden. Aber morgen Abend, wenn sie dann wieder kommt, so reich ihr statt deiner Hand einen Stock oder Ast hin, dann wirst du sehen, was geschieht. Ich werde dir Gesellschaft leisten.

Am folgenden Abend ging der K. mit dem Mädchen in den Stall, das Mädchen setzte sich unter die Kuh, fing an zu melken und siehe, da kam die Frau wieder herein, ging auf das Mädchen zu und reichte ihm die Hand. Diesmal war es beherzter und reichte ihr einen Stock hin. Wie ihn aber die Frau anfasste, brannte er lichterloh, und die Frau schien selbst darüber betroffen zu sein.

Da zeigte ihr Mann dieser den Weg aus dem Stall und sprach, sie solle sich nun nicht mehr um sein Eigentum bekümmern und machen, dass sie wegkäme.

Da zeigte sie aber nach einer Stelle nahe bei der Stalltür und sprach mit hohler und langsamer Geisterstimme: »Hebt die Bohlen auf und verteilt das Geld unter den Armen. Die Pfennige sind die, welche du mir gabst, Mann, damit ich sie den Armen geben sollte und die ich den Armen betrügerischerweise abnahm. Das Silbergeld habe ich durch Betrug bei der Butter und dem Käse. Das Gold stahl ich beim Brand. Und so ist nichts davon unser rechtmäßiges Eigentum.« Daraufhin war sie verschwunden.

Der Mann hob die Stallbohlen auf und da standen drei Kästen, in dem einen waren lauter Pfennige, in dem anderen Silbergeld, in dem dritten waren lauter Goldstücke. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder traurig sein sollte. Das Geld wurde mit den Kästen ins Haus gebracht und nach dem Wunsch der Frau verteilt, aber nicht auf einmal, sondern so nach und nach. Daran hatten die Armen in Zellerfeld lange Zeit genug gehabt.

Man hätte nun meinen sollen, sie könne nun Ruhe in ihrem Grab haben, nachdem das Geld verteilt wurde und war. Aber nein, alle Abende kam sie in den Stall und sah nach der Stelle, wo das Geld gesteckt hatte. Das erste Mädchen hatte nichts Arges mehr daraus. Als das aber wegheiratet hatte und ein anderes dafür an deren Stelle kam, da gab es denn Schreien und Quieken, und der gute K. konnte am Ende kein Mädchen mehr bekommen, das ihm seine Kühe besorgte. Da ging er denn selbst in den Stall und besorgte das Vieh. Dabei stellte sich aber regelmäßig seine Frau ein. Oft sagte er ihr, sie solle sich packen und ihm nicht wieder über die Schwelle kommen. Es half aber nichts. Da ging er deshalb nach Goslar und ließ einen Geistlichen kommen, der Geister verweisen konnte, so hieß es.

Der Geistliche zitierte denn auch die Frau K., sie kam auch. Da fragte er sie, warum sie immer walten gehe und die Leute beunruhige. Dem antwortete sie aber ganz schnippisch, er solle doch seinen Mund halten, er könne ihr nichts anhaben, er habe ja in seiner Jugend einen Dreier gestohlen. Danach war sie verschwunden, und der Geistliche musste beschämt und unverrichteter Dinge abgehen.

Nun ließ K. einen anderen Geistlichen kommen, das sollte aber ein echter Geisterbanner gewesen sein. Aber auch der konnte ihr nichts anhaben. Sie warf ihm vor, er sei meineidig, denn er habe einem Mädchen die Ehe versprochen und es nachher sitzen lassen. Da hörte K., dass in Hildesheim ein blutjunger Mensch war, dem alle Geister gehorchten. Der musste denn auch her, und der hatte die Frau K. endlich zur Ruhe gebracht. Von der Zeit an hatte sie sich nicht wieder sehen lassen. Lange Zeit und bis jetzt wurde aber noch davon gesprochen.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862