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Der grüne Platz

Am Weg von Zellerfeld zu der Bockswiese liegt oben, wo das hohe Holz angeht, ein grüner Platz, darauf wächst wohl saftig grünes Gras, aber keine Tanne, kein Baum und kein Strauch. Warum? Nun, weil es da nicht richtig sein soll. Man hat es immer nicht glauben wollen, bis der alte Diener auf Hahnenklee, wie der noch Junggeselle gewesen und nach Zellerfeld auf die Freit gegangen ist, den Beweis davon gekriegt hat. Das war so gekommen.

Es ist eine artige Ecke Jahre her, wie der alte Diener eines schönen Abends den Raps kriegt, noch nach Zellerfeld zu seiner Braut zu gehen. Er stopft sich eine und ging los. Der Abend war wunderschön gewesen. Der Mond hatte über Berg und Thal geschienen und die Sterne hatten gefunkelt, als wären es lauter blanke Dreigroschenstücke. Dabei ging kein Lüftchen, ja es war ein ganz prächtiger Abend und eine wahre Lust, noch einen solchen Weg zu machen.

In Sehnsucht nach seiner Braut versunken ging der Diener so seine Straße durch den schönen Tannenwald, kam an den grünen Platz und wusste nicht wie. Da wurde es auf einmal finster, der Mond und die Sterne waren augenblicklich verschwunden, und es entstand gleich eine Finsternis, dass man keine Hand vor Augen sehen konnte. Und nun gar der Weg, der war wie weggeblasen. Dagegen kam der überraschte Bräutigam an eine Mauer, ging daran hin, wendete dann wieder um, weil er sich nicht gern verlieren wollte, ging wieder herauf und kraspelte daran auf und ab, ohne davon oder darum herumkommen zu können.

Auf einmal wurde es ganz nah bei ihm hell, die Mauer tat sich auf und heraus kam ein Leichenzug. Acht Leute, schwarz gekleidet, trugen einen Sarg. Davor und dahinter gingen Fackelträger. Die Flammen waren aber keine Pechfackel, nein, sie brannten so matt und alles wurde so blass davon beleuchtet, so, als ob man Branntwein in der dunklen Stube ansteckt und sitzt dabei herum. So ging der Leichenzug mit grausamer Schnelligkeit fort und verschwand im Wald. Es dauerte aber nicht lange, so kamen die Leichenträger wieder zurück und verschwanden hinter der Mauer. Der Diener hatte aber da während der Zeit nicht weggekonnt. Er war wie gebannt gewesen.

Als es aber hinter der Mauer wieder dunkel wurde, da der Abend war wie vorher so schön. Trotzdem hielt es aber doch der Erschreckte für geraten, nicht nach Zellerfeld sondern nach Hause zu gehen. Das tat er auch. Kaum war er da angekommen, so überlief es ihn eisig kalt, er wurde so krank, dass gleich Tod und Leben bei einander waren und musste sechs Wochen lang das Bett drücken. Glücklicherweise wurde er aber doch wieder. Von der Zeit an hatte er aber Respekt vor dem grünen Platz, denn gerade da war es gewesen.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862