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Der Drache

  Frenzel, hist. natur. III. 1417. L. Mon. Schr. 1797. II. 754. 
  Haupt und Schmaler, Wend. Lieder II. 266.
  K. Haupt, Schlangensagen im N. Laus. Mag. 1860.

Viele Frauen haben den Drachen, welcher ihnen Milch, Butter, Getreide und Geld zuträgt.

Um ihn in ihre Dienste zu bekommen, müssen sie sich dem Teufel verschreiben. Anno 1709 ward in Budissin eine Seele von solchem Pakt errettet und aus des Satans Händen gerissen; daher auch öffentlich in den Kirchen darum dem gnädigen Gott gedankt worden. Bei den oberlausitzer Wenden heißt der Drache ton smij, bei den niederlausitzer ten pljon. Er zieht als eine feurige Lufterscheinung durch den Schornstein in das Haus.

Es giebt verschiedene Arten. Der Getreidedrache, zitny smij, füllt den Kornboden seines Besitzers; der Milchdrache, mlokowy Smij, sorgt für den Milchkeller der Frau Wirthin; der Gelddrache, peneziysmij, läßt - es seinem Herrn niemals an Geld fehlen. Er schleicht sich bei den Menschen auf folgende Weise ein. Irgendwo findet man einen Dreier liegen. Nimmt man diesen zu sich und verwahrt ihn gut, so liegt morgen ein Sechser da, und so wächst nach jedesmaliger Hinwegnahme des Gefundenen der Werth des Geldstückes bis zu einem Speciesthaler. Eignet man auch diesen sich zu, so hat man einen Heckthaler und den Drachen am Halse.

Jeder Drache will gut abgewartet, gefüttert und mit höflichen Worten behandelt sein.

Als ein Feuergeist hat er seine verborgene Wohnung in der sogenannten - Hölle hinter dem Ofen. Er verlangt, daß man ihm gutes Essen auf die Ofenplatte hinsetze, als Milchhirse, Fleisch u. s. w., was er verzehrt, wenn Alles im Hause schläft.

Versieht es die Wirthin oder der Wirth darin, so steckt er ihnen das Haus über dem Kopfe an und geht davon. Um den Gelddrachen auf eine unschädliche Weise los zu werden giebt es nur das eine Mittel, den Thaler zu verkaufen, aber unter seinem Werthe, damit es der Käufer merke, daß darunter Etwas verborgen liege und Alles mit seiner stillschweigenden Einwilligung vollzogen werde.

Anmerkungen:

  1. Wenn einer in seiner Wirthschaft schnell vorwärts kommt, heißt es in der Lausitz allgemein: er hat dem Drachen.
  2. In Görlitz steht auf der Treppe der Peterskirche zu gewissen Zeiten ein kleines Schächtelchen, worin ein Dukaten liegt. Wer es aufhebt und den andern Tag hineinsteht, findet zwei, den dritten drei Dukaten. Wer es behält, hat einen Heckdukaten, wird aber dadurch Eigenthum des Teufels. Setzt man es aber gleich nach der Entdeckung wieder hin, so schadet es einem nicht.
  3. Ueber den Drachen als Goldhüter und Schatzspender, das Verhältniß von Finsterniß und Gold, die Verwandtschaft dieses Drachens mit dem Lindwurm und dem wendischen Gotte Plins (alias Flins) vergleiche die Anmerkung zu meinen Schlangensagen im Neuen Lausitzischen Magazin 1860. S. 174–77.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862