<<< vorherige Sage | Zweite Abtheilung: Dämonensagen | nächste Sage >>>

Der Lindwurm (waka, palowaka)

  O. u. N. Laus. Chronik S. 21, Schön's Handschrift No. 62. 
  Haupt u. Schmaler, Wend. Lieder I. S. 270. II. S. 266. 
  K. Haupt, Schlangensagen im N. Laus. Mag. 1860.

Es geht eine alte Sage, daß vor langen, langen Zeiten in den Sümpfen und Seen der Niederlausitz schreckliche Lindwürmer und Drachen gehaust haben; sind gewesen wie Schlangen, aber viel größer, haben Rauch und Flammen geathmet, und das Land rings umher verwüstet und Menschen und Vieh in großen Massen verschlungen. Nahe am Dorfe Zilmsdorf (einem der ältesten Orte der Lausitz) ist eine Stelle draußen auf freiem Felde, da sprühen oft mannshohe Flammen aus der Erde empor. Das Volk nennt sie Drachenfeuer und erzählt, daß dort der große Drache gehaust habe, den der heilige Jürgen getödtet hat. An der alten Salzstraße, die nach Sorau führt, ist ein Steinhaufen, da hat der Kampf stattgefunden, und da soll das steinerne Denkmal des Heiligen gestanden haben, hoch zu Rosse mit der Lanze in der Hand und dem Drachen zu seinen Füßen. Dieser Drache hat nämlich täglich dreißig Menschen aufgefressen und die Feldmarken weit und breit verwüstet.

Er konnte auch menschliche Gestalt annehmen und hat in solcher viele Menschen in's Unglück gestürzt, sie ihres Geldes beraubt und dasselbe im tiefen Walde hinten bei der Forstner Haide vergraben. Gewöhnlich aber ist er durch die Luft gezogen, und hat dabei seine Reise über Zilmsdorf nehmen müssen. Dort wohnte aber früher ein gewisser Wochner, ein berühmter Teufelsbanner; der hat die Kunst gehabt, den Drachen oft so lange hinzuhalten, bis der Hahnschrei ihn im hiesigen Gau überrascht hat. Da hat er allemal müssen sein Gold fallen lassen.

Anmerkungen: Zu dem St. Georgsbilde bei Zilmsdorf wurde weit und breit her gewallfahrtet; 1615 hat es der Landvogt Graf Promnitz wieder aufrichten lassen und zwar auf Begehren des Kaisers Matthias (bei der Huldigung in Sorau 1611). Um 1710 stand der Stein noch und zeigte gegen Mitternacht in ausgehauener Arbeit den Ritter St. Georg auf einem Pferde und unter ihm den Lindwurm. Der Stein war 7 Ellen hoch und 3 Ellen breit. Die Inschrift aus dem 17. Jahrhunderte auf der Abendseite lautete:

Effigiem Christi dum cernis semper honora

Non tamen effigiem sed quem designat honora.

Aspice, mortalis, prote datur hostia talis.

Darüber war an einem steinernen Kreuze ein zinnernes übergoldetes Christusbild. (Magnus, Gesch. v. Sorau S. 115.) Hier wird also in protestantischer Umdeutung der Ritter in den Heiland selbst verwandelt, der „der Schlange den Kopf zertritt“. Ueber die Salzstraße vergl. die Ortssagen von Sorau. Ueber St. Georg als christianisirten Swantevit, den Drachen als Maske Tschernebogs und die mythische Bedeutung der Legende stehe meine Anmerkung zu den Schlangensagen im Neuen Laus. Magazin 1860 S. 159. ff. und Anmerkung zum wendischen Märchen von der verschlafenen Frau und dem starken Sohne.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862