<<< zurück | Sagen und Märchen aus dem Oberharz | weiter >>>

Die goldene Rose

Ein Förster hatte drei Töchter, die jüngste davon war die hübscheste und die beste, eine brave Seele. Deshalb hatte sie aber auch Vater und Mutter lieber, wie die andern; die zweite war ein pockennarbigtes und hämisches Mädchen; die älteste, nun das gieng, man konnte sie nicht schön und auch nicht gut nennen. Kurz, das jüngste hatte der Vater am liebsten, und fragte dasselbe, als er einst auf die Jagd gieng, was er ihm mitbringen solle. Das Mädchen legte sein Köpfchen an des Vaters Schulter und sagte so recht schmeichlich: Bring mit eine goldene Rose mit. Das wird schwerlich gehen, sagte der Vater; denn goldene Rosen sind selten. Ich will's aber versuchen.

Nun geht er fort und denkt immer an die Rose, die er seiner Tochter mitbringen soll; sieht sich auch um darnach; findet aber kaum einen Hagebuttenstrauch, der Klatschrosen hat, aber noch nicht einmal eine gewöhnliche, viel weniger eine goldene Rose. Die Jagd hat er ganz vergessen; so will er schon umwenden, weil ihm alles vergeblich dünkt. Da denkt er wieder an sein Töchterlein, daß das deshalb vielleicht traurig werden könnte und wendet wieder um; er will nochmals sein Heil versuchen und schlägt sich seitwärts in den Wald hinein, wo er Jahre lang nicht gewesen ist.

Zu seiner Verwunderung kommt er an ein Schloß, das er noch gar nicht gesehen hat. Ei, denkt er, das mußt du dir näher ansehen. Er geht hinein, kein Mensch ist drin, dagegen findet er schöne Zimmer mit herrlichen Sachen, Tischen, Stühlen, Sopha's, großen Spiegeln und dgl. Auch kommt er in einen Speisesaal, da steht ein großer Tisch mit den köstlichsten Gerichten. Die Braten dampfen, so daß es unser Förster nicht verschmäht, er seht sich und läßt es sich wohl schmecken, wenn ihn auch keiner dazu nöthigt; denn es ist niemand da gewesen. Der Wein ist feurig, und er schenkt flott ein.

Nach einer Stunde, da ist der Wein sein Meister geworden, er muß sich hinlegen, so schwer ist ihm der Kopf. Er sucht sich ein Bett aus, legt sich gespornt und gestiefelt hinein und schläft, daß ein Auge das andre nicht sieht. Am folgenden Morgen wacht er erst wieder auf, als die Sonne über Berg und Thal scheint. Das heiß ich geschlafen, sagt der Förster; steht auf und tritt an's Fenster, um zu sehen, wo er ist und wie es außerhalb aussieht. Dabei wird er im Garten, in den er gerade hinein sehen kann, einen Rosenstock gewahr, der über und über voll goldener Rosen hängt. Den sehen, hinuntergehen und die beste davon abschneiden, ist das Werk von einigen Minuten. Kaum hat er aber die wunderbar schöne Blume in der Hand, so steht ein rauhes Ding vor ihm, sieht aus, wie der glünige Teufel und spricht: Entweder du mußt sterben, der du die Rose gepflückt hast, oder du versprichst mir die, welche die Rose haben soll. Wer will nun aber gern sterben? Er verspricht also dem Teufel seine Tochter.

Nun macht sich der Förster auf und geht nach Haus. Unterwegs kommt er erst recht zur Besinnung darüber, was er gemacht und gelobt hat. Vor tiefem Kummer fängt er zu weinen an und tritt, ohne daß er weiß, wie sehr er sich gemuthpreßt hat, in die Stube seiner Tochter und giebt ihr die Rose. Voll Freude dankt ihm die Tochter, voll Traurigkeit frägt sie, warum er geweint hat. Da sagt er's. Die Tochter aber spricht: Er solle nur nicht bange sein, sie wolle es machen. Sie wüßte ein gutes Mittel, das helfe gegen Tod und Teufel, das angewandt, würde sie auch von dem rauhen Dinge befreien. Darauf steckt sie sich die Rose vor die Brust, geht fort, singt und trallert und zeigt den andern die Wunderblume.

Am andern Tage kommt eine Kutsche mit vier Schimmeln vor das Försterhaus. Heraus steigt ein kleines Männchen und bittet die jüngste Förstertochter, mit einzusteigen. Ihr Vater hätte ihr ja wohl Bescheid gesagt. Ja, sagt sie, nur müsse sie sich erst anziehen. Das thut sie. Das beste Kleid, was sie hat, zieht sie über, und steckt die goldne Rose vor die Brust, nimmt dann von dem Vater, der Mutter und den Schwestern Abschied und steigt in den Wagen, der auch ganz mit Rauhwerk ausgeschlagen ist. Der Kutscher schlägt die Pferde an und fort geht's im sausenden Galopp.

Nach langem Fahren hält die Kutsche, und das Männchen steigt mit der Förstertochter aus und führt sie in ein großes schönes Schloß, dann in eine Stube, die so schön eingerichtet gewesen ist, daß eine Königin darin hätte wohnen können. Dann sagt das Männchen: Jetzt verlaß ich dich. Was man dir befiehlt, das thue ja, wenn dir dein Leben lieb ist; ich werde dir beistehen. Kaum wird es Nacht, so kommt ein rauhes, ungestaltetes Ding in die Stube, tritt vor die Förstertochter und zapft ihr drei Tropfen Blut ab und spricht: Hier bring ich dir Garn, davon mußt du bis morgen früh zwölf Paar Strümpfe gestrickt haben. Hörst du? Vor Schrecken spricht das Mädchen, ja. Darauf ist der Unhold verschwunden.

Als sich das arme Mädchen von seinem Schrecken erholt hat, macht es sich gleich an die Arbeit. Es wird um acht, um neun, um zehn, da hat es erst einen Strumpf fertig, und das ist rasch gegangen. Lieber Gott, denkt's, nun erst einen Strumpf fertig und bis morgen früh noch dreiundzwanzig - das ist rein unmöglich. Doch du sollst's nicht an dir fehlen lassen. Gott wird dir beistehen; der verläßt dich nicht, das ist dein einziger Schutz. Kaum hat's das gedacht, so tritt das kleine Männlein zu ihm ein, ganz in Weiß gekleidet und spricht: Komm, gutes Kind, ich steh dir bei. Dann setzen sich beide hin und fangen an zu stricken, daß die Sticken klappern, als wenn's die beste Musik wäre. In Zeit von einer Stunde liegen alle zwölf Paar Strümpfe fix und fertig zusammengebunden da und dem geängstigten Mädchen ist es, als wäre ein schwerer Stein von seinem Herzen gefallen. Im Stillen dankt es Gott und laut sagt es dem kleinen Männchen seinen Dank und bittet dasselbe, ihm doch immer so beizustehen und ihm Rath und That zu geben. Das verspricht denn auch der Kleine und sagt zuleßt: Nun kannst du dich doch hinlegen und noch ein gut Theil schlafen. Morgen früh solle es aber hinabgehen in den Garten und vor den Rosenstock hintreten und sprechen: „Ich soll dich erlösen, und du sollst mich erlösen.„ Dann würde aus dem Rosenstock heraus ein häßliches Katzengesicht schauen, das solle es küssen, sich aber ja nicht fürchten, oder bange sein. Das Mädchen sagt, ja, das wolle es gerne thun, wenn es nur mit dem Leben davon käme. Darauf sagt der kleine Mann, das hätte nichts zu sagen; es müsse ihm nur folgen. Nun sagt das Männlein gute Nacht und ist verschwunden; das Mädchen legt sich in's seidne Bett, was da steht, und schläft darin ruhig und ungestört bis zum andern Morgen.

Dann steht es auf, zieht sich an und geht hinab in den Garten. Da steht der Rosenstrauch mit den prächtigsten goldnen Rosen. Ohne Angst und Furcht pflückt sich die Förstertochter die beste Rose ab und spricht: Ich soll dich erlösen und du sollst mich erlösen. In dem Augenblick glotzt sie aber ein glubsches Katzengesicht an; die Erschrockene tritt aber näher und küßt das Katzengesicht. Da ist es verschwunden, und ihre gepflückte Rose sitzt wieder an ihrer Stelle. Der Tag geht wieder so hin, der Abend kommt heran, und das arme Mädchen wartet, was ihm heute Abend aufgehoben sei. Kaum hat es sieben Uhr geschlagen, so tritt das häßliche Ding wieder zur Thür herein und bringt ihm zwölf Bettüberzüge, die müßten bis morgen früh fertig genäht sein; dann ist es verschwunden.

Das arme Mädchen quält daran und hat bis zur Mitternacht erst einen Überzug fertig. Da kommt aber das kleine Männchen wieder und im Umund Aufsehen sind die Bettüberzüge fertig. Dann sagt das Männchen: Jezt leg' dich zur Ruhe, morgen früh geh in den Garten, pflück' dir wieder eine Rose und sage dabei: Heum, Heum, Heum, komm und laß dich frein, und was aus dem Rosenstock heraus kommt, das küsse ohne Furcht. Das Mädchen folgt dem Männlein, und als es die Rose am andern Morgen pflückt, und dabei die Worte sagt, da kommt ein grimmiger Bär aus dem Rosenstock. Ohne Furcht aber faßt's ihm an den Kopf und küßt ihn; da ist er verschwunden; die gepflückte Rose sitzt wieder an dem Rosenstock.

Jetzt besieht sich die Förstertochter den Garten erst genau, der ist voll der schönsten Blumen. Darin bringt sie den ganzen Tag zu. Am Abend geht sie wieder in's Schloß und um sieben kommt das gefährliche Ding wieder, nimmt, so wie den vorhergehenden Tag die Strümpfe, diesmal die Bettüberzüge und giebt dem Mädchen zwölf Hemden zu nähen, die wieder bis zum andern Morgen fertig sein müßten. Alles geht so wieder, wie die vorhergehenden Tage, und spricht das Männchen, als die Hemden fertig sind: Morgen früh, wenn du in den Garten zu dem Rosenstock kommst und pflückst dir die Rose, dann sage; „Ich soll dich erlösen, du sollst mich erlösen.“ Dann würden alle Blätter und Rosen abfallen. So wie das geschähe, dann möcht es weiter sprechen: Heum, Heum, Heum, komm und laß dich frein! Was dann geschähe, das sollte es umarmen und küssen. Das Mädchen folgt getreulich, und als es am andern Morgen vor dem Rosenstock gestanden und die letzten Worte gesprochen hat, da steht vor ihm ein wunderschöner Prinz, der umarmt sie auch, herzt und küßt sie und führt sie in's Schloß, da sind so viel Diener und Herrschaften, und das Schloß ist erlöst. Oben auf der Stube, wo die neue Königin wohnen soll, da liegen auf's schönste gestrickt und genäht das Dutzend Strümpfe, die sie gemacht hat und daran steckt eine goldene Rose; ebenso das Bettzeug und die Hemden, an jedem eine goldene Rose.

Und zum ewigen Andenken, wie der Teufel überwunden wird durch Gottvertrauen und zum immerwährenden Danke für den großen Muth seiner Frau nimmt der junge König eine goldene Rose in seinem Wappen auf. Diese Rose sieht man noch oft in schönen Wappen. Das kommt blos daher.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862