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Der Magnetberg

Ein junger hübscher Bergmann wandert aus und geht auf's Wasser. Er ist schon lange auf der See, da kommt Sturm, und das Schiff treibt vom Weg ab an eine Insel, auf der ein Magnetberg gewesen ist. Voll Schrecken sagt der Schiffskapitain, wir sind verloren, denn das Schiff sitzt fest und wird von dem Magnetberg gehalten, der auf der Insel seinen Kopf in die Höhe streckt. Wenn doch nur einer unter uns wäre, der an's Land gienge, auf den Berg stieg und dort oben drei Schläge auf die Trommel thäte, die da oben steht. Er kommt zwar mit dem Leben nicht davon; das Schiff mit allem, was darauf ist, würde dann aber gerettet sein.

In ihrer Noth loosen alle Männer, die auf dem Schiffe sind, und da triffts einen Matrosen, der eine Frau und sechs Kinder hat. Das dauert dem Bergmann und er sagt, ich bin ledig und los, ich will für dich hingehen und dadurch dich für deine Familie und das Schiff mit allem was darauf erhalten. Da läßt er sich an's Land bringen, geht gleich den Berg hinauf und thut die drei Schläge auf die Trommel. Beim letzten Schlag dröhnt der Berg aber so gefährlich, daß dem armen Menschen die Sinne vergehen; doch fühlt er noch so viel, daß er wo hineinfällt.

Als er erwacht, ist er in einem Zimmer, darin brennt kein Licht, und doch ist alles hell gewesen, heller als wenn die Sonne so recht klar scheint. Das ist aber von Edelgestein-Geflimmer und Gefunkel gekommen. Der Bergmann verwundert sich erst, dann aber besieht er sich das Zimmer und die Sachen, die darin sind, näher. Da stehen schöne sammetne Ruhebetten, Stühle und Tische sind von purem Crystall, eine wahre Pracht! and auf einem Bette liegt ein großer goldener Ring, der die Gestalt einer Schlange gehabt hat, den man um den Hals hängen konnte. Auch den nimmt er hin und sieht ihn an und hat seine Verwunderung darüber. Beim Besehen kommt's ihm aber vor, als wenn sich der Ring bewegte und da bemerkt er ganz deutlich, daß die Schlange die Augen bewegt. Er hat nichts Arges daraus und legt sich mit der Schlange auf dem Schooß auf ein Bett, und schläft ein; er hat lange in keinem Bette und in seinem Leben auf so schönem Bette nicht geschlafen. Wie lange er da gelegen hat, das weiß er nicht; er wacht auf und siehe, eine bildschöne Jungfrau steht vor ihm und spricht:

Du hast dich nicht gefürcht't.
Ich hab für dich gebürgt.
Du sollst gerettet werden
Und glücklich sein auf Erden.

Darnach giebt sie ihm eine Krone, die mit kostbaren Edelsteinen geziert ist und spricht: jegt komm mit, ich will dir den Ausgang aus diesem Berge zeigen. Darnach führt sie ihn aus dem Berg auf entgegengesetter Seite, wo er hinaufgegangen ist, nimmt Abschied von ihm und spricht: Wenn du mich nöthig hast, sebe die kleine Krone auf und ich bin bei dir, doch darfst du mich nur dreimal rufen. Er will ihr danken, sie in Arm nehmen und küssen, sie aber spricht: Nein, das leid ich nicht, sonst bist du verloren und im Nu ist sie im Berg verschwunden.

Der Bergmann geht nun fort und kommt bald darauf in einen weiten großen Wald und zuletzt zu Leuten, wie er sie noch nie gesehen hat; die sind nämlich ganz schwarz gewesen und nackend gegangen. Erst lacht er darüber, dann ist er aber froh, daß er wenigstens bei Menschen lebt. Alle sind so freundlich und gut mit ihm, geben ihm Essen und Trinken und führen ihn nachher zu ihrem König. Auch der ist recht artig und liebreich gegen den Bergmann, und winkt ihm, er solle bei ihm bleiben. Er bleibt denn auch bei diesem. Nun hat der König eine Tochter gehabt, ein recht rundes, munteres, schwarzes Mädchen. Das ist gegen den Bergmann aber am allerfreundlichsten, nur haben sie nicht miteinander sprechen können; denn einer hat des andern Sprache nicht verstanden. Aber troßdem haben die beiden doch immer bei einander gesessen und sich lieb gehabt, und der Alte hat sich darüber gefreut.

Es hat nicht lange gedauert, da kann der Bergmann aber auch die Sprache sprechen und da hat denn der Mohrenkönig gesagt, der Bergmann solle seine Tochter zur Frau haben. Der Bergmann denkt, so eine Frau ist doch besser, wie gar keine und heirathet das Mädchen. Dabei trägt er aber stets seine Krone bei sich. Einstmals geht er mit seiner Frau spazieren; da begegnet ihm eine Leiche, die begraben werden soll. Dahinter her geht eine Frau, hat ein Brötlein im Arm und einen Krug Wasser in der Hand. Das ist die Frau des Mannes gewesen, der beerdigt wird. Der Bergmann frägt seine Frau, warum die Frau das Brot und das Wasser dahinter her trüge? Da sagt ihm denn sein schwarzes Weiblein: Wenn ein Ehemann hier stürbe, so würde die Frau mit beerdigt und stürbe eine Frau, so würde der Mann mit beerdigt und bekäme dann ein Brötlein und einen Krug voll Wasser mit.

Da fängt's dem Bergmann aber an zu reuen, daß er die Königstochter genommen hat und er spricht: Frau, stirb mir nur nicht, daß ich nicht lebendig mit begraben werde. Ich will lieber zuerst sterben. Das zieht sie sich zu Gemüthe, und nach einem halben Jahre ist sie todt und muß beerdigt werden. Natürlich der Bergmann mit. Er bekommt ein Brötlein und einen Krug Wasser. Das Grab ist aber in einem hohlen Berg gewesen. Da hinein werden die Todten gesetzt, und die Lebendigen dabei gebracht und dann der Berg verschlossen, daß keiner heraus gekonnt hat. Als der Bergmann in der Finsterniß bei dem Sarg seiner Frau sitzt, so hört er in der Ferne ein leises Brummen und es überläuft ihn eisig kalt. Da nimmt er seine Krone, seht sie sich auf und spricht: O, Retterin hilf mir! Da ist die Jungfrau aus dem Magnetberg da und frägt: Womit soll ich dir helfen? Führe mich aus diesem Berg wieder heraus. Ja, sagt sie, hörst du das Brummen? Das kommt von dem Bären, die Todten und Lebendigen hier verzehrt, und dem du auch verfallen bist, ihm werde ich's auftragen, dich zu befreien. Sie zündet ein Licht an und gleich ist der Bär da und will dem Bergmann zu Leibe. Die Jungfrau aber spricht: Halt! siehst du nicht das Kleinod, das er trägt? Befreie ihn. Da wird der Bär ganz gemüthlich und führt den auf den Tod Geängstigten zu einer geheimen Öeffnung aus dem Berg und spricht beim Weggehen: Eile, daß du das Land verläßt, findet man dich wieder lebendig, so wirst du getödtet.

Lange hat der arme Bergmann am Meeresstrande auf ein Schiff gewartet; es ist aber keins gekommen und er hat in beständiger Todesgefahr geschwebt. Da nimmt er zum zweitenmale seine Krone und spricht: O, Retterin hilf mir. Da ist die Jungfrau wieder da, und frägt, was er wolle. Da spricht er: Ich bin arm und verlassen, verfolgt und möchte so gerne wieder nach meiner Heimath und kann nicht weg. Schau um dich, sagt sie, da liegen Steine, davon steck zu dir und dort kommt ein Schiff, das legt hier an; darauf kannst du entfliehen. Er schaut auf, sieht eine ganze Menge Gold und Edelsteine bei sich liegen, er steckt davon seine Taschen voll und denkt, nun hast du genug. Dann kommt das Schiff, er gleich hin, steigt ein und fährt mit ihm zurück und kommt glücklich zu den Seinigen.

Die Steine haben ihn reich gemacht, er hat noch lange gelebt und seine Schicksale erzählt und zuletzt, wie sein Stündlein kommt, daß er bald sterben muß, da nimmt er sein Krönlein und spricht: O, Retterin hilf mir. Da ist die Jungfrau wieder da und spricht: Sieh, da die Waise, welche dich bisher pflegte und dir beistand, sie wird dir die Augen zudrücken. Da war sie und die Krone verschwunden. Er wandte sich im Bett um und war todt.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862