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Der eiserne Mann

Ein Soldat hatte lange Zeit dem König gedient, war tapfer und brav gewesen und hatte dadurch denn auch viel Wunden bekommen. Als der Krieg zu Ende war, mußte er wieder hingehen, wo er hergekommen war und zusehen, wie er sich sein bischen Brot bettelte, und arbeiten konnte solch ein Krüppel nicht und Pension gab's damals nicht. Er gieng also von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und fand so sein kärgliches Auskommen.

Einstmals mußte er durch einen großen Wald, denn damals gab's viele und große Wälder; er verlief sich, mußte drei Tage darin bleiben und sich von Wurzeln und Beeren so lange nähren, bis er endlich zu einem Köhler kam, der ihn aufnahm und freundlich bewirtete. Es gefiel dem Soldaten da recht in der Einsamkeit und er und der Köhler wurden recht gute Freunde, so daß er dem Köhler Holz zutrug und bei allem, was er zu thun hatte, mithalf und beide in der Röthe des Abends sich ihr Leid klagten und von ihren Schicksalen erzählten. Der Köhler sagte einmal: Höre Freund, du bist muthig und tapfer, du kannst uns beide glücklich machen, wenn du meinem Rathe folgst. Nicht weit von hier ist ein tiefer Schacht, darin sind ungeheure Schätze vergraben. Hast du nicht Lust dazu, daß ich dich an einem Seile hinunter lasse? Mir sollst du nur ein Bund Wachslichter mitbringen, das andere, was du dann noch mitbringst, kannst du alle behalten; du sollst sehen, dann haben wir genug. Der Soldat ist gleich bereit dazu.

Am folgenden Morgen nimmt der Köhler ein langes Seil und beide gehen zu dem Schachte. Eins, Eins, zwei, drei, hat der Soldat das Seil um den Leib, und der Köhler läßt ihn in's Loch hinein. Unten auf der Sohle macht er das Seil ab, steckt ein Licht an und findet einen Stollen. Darin geht er fort, kommt vor eine eiserne Thüre, die mit vielen Riegeln verschlossen ist, macht sie auf und tritt in einen großen Saal, der durch einen silbernen Kronleuchter ganz erleuchtet wird; es ist so hell wie am Tage. Da sitzt mitten auf einem Thron ein großer eiserner Mann, am Throne stehen drei Kisten, die aber verschlossen sind, über der Thür hängt das Bund Wachslichte. Er greift zunächst nach den Wachslichten, der Mann sieht's, rührt sich aber nicht. Dann geht der Soldat zu der einen Kiste, die vorher nicht offen gewesen ist und sich, es liegen lauter blanke Thaler darin. Er packt seine Taschen sackvoll. Da springt die zweite Kiste auf und daraus leuchten die schönsten und größten Goldstücke. Er wirft seine Thaler wieder in die Thalerkiste und macht seine Taschen voll Gold. Kaum ist er damit fertig, so öffnet sich die dritte Kiste und darin glänzen die kostbarsten Edelsteine und Perlen. Nun legt er das Gold wieder hin und füllt seine Taschen mit Perlen und Diamanten. Der Mann rührt sich nicht. Der Soldat geht wieder weg, und der eiserne Mann rührt sich nicht.

Am Schacht macht sich der Soldat das Seil wieder um den Leib und zuckt, da wird er hinauf gezogen. Oben giebt er dem Köhler die Lichte und zeigt ihm seine Schätze. Beide freuen sich und begeben sich zur Ruh auf die Bank. Am andern Morgen ist der Köhler todt. Was soll da nun noch der Soldat, er nimmt also seine Schäße, aber auch die Wachslichte, seinen Stab in die Hand und fort geht's in die weite Welt hinein. Er kommt bald aus dem Wald, darnach in eine große Stadt, lebt da herrlich und in Freuden lange Zeit und denkt, seine Reichthümer nehmen kein Ende. Sie gehen aber endlich doch zu Ende, ja er hat nicht einmal so viel, daß er sich Oel auf seine Lampe kaufen kann.

Da fallen ihm die Wachslichte ein, die er aus dem Schachte mitgebracht hat; er nimmt eins davon, steckt's an und in dem Augenblick steht der eiserne Mann vor ihm und frägt, was er solle? Es ist der gewesen, der auf dem Thron in dem Schachte gesessen hat. Jetzt weiß der Soldat Bescheid und spricht: Er möge ihm einen Sack voll Gold bringen. Im Nu hat er das Gold, das Wachslicht geht aus, und der Mann ist verschwunden. Nun hat er wieder genug, und wenn's alle ist, muß der eiserne Mann wieder her und neues bringen. Von da reist der Soldat weg nach der Stadt, wo sein König wohnt, dem er gedient hat.

Hier hört er, daß die Tochter davon wunderschön ist, keiner kriegt sie aber zu sehen. Weil er nun weiter nichts zu thun hat, und sonst ein schönes, vornehmes Leben führt, so kommt ihm der Gedanke, er will die Prinzessin einmal sehen. Dess halb steckt er sein Wachslicht an, es ist des Abends zehn Uhr gewesen, und gleich kommt der eiserne Mann zur Thür herein und frägt, was er wünsche. Hole mir die Königstochter aus dem Schlosse hier her. Der mächtige Bote verschwindet und in kurzer Zeit ist er mit der Prinzessin da. Der Soldat läßt nun die Tochter entgelten, was ihr Vater ihm zugefügt hat. Sie muß ihm aufwarten, Stiefel putzen, die Stube fegen u. f. w., kurz die Dienste einer gemeinen Magd thun. Am andern Morgen vor Tag trägt sie dann der eiserne Mann wieder in ihre Schlafkammer im Schlosse.

Als sie dann da aufwacht, geht sie zu ihrem Vater und erzählt, sie wisse nicht, ob es wirklich so gewesen sei, oder ob es ihr geträumt habe, sie sei in das Zimmer eines Soldaten gebracht und habe dem aufwarten müssen. Der König betrachtet seine Tochter und sieht schwarze Flecke in ihrem Gesichte. Da merkt er, daß es kann gewesen sein und sagt, sie möge diesen Abend ein Stück Kreide in die Tasche stecken, und an die Hausthür, in die sie hineingetragen würde, einen Strich und ein Kreuz machen, damit man das Haus wieder fände. Das that sie auch. Der eiserne Mann hatte es aber bemerkt und machte an alle Thüren der Stadt einen Strich und ein Kreuz.

Am andern Morgen erzählte sie wieder ihrem Vater, wie es ihr gegangen wäre. Da befahl der König seinen Leuten, sie sollten das Haus aufsuchen, an welchem ein Kreuz und ein Strich mit Kreide gemacht wäre. Die Leute kamen aber unverrichteter Sache zurück, denn an allen Häusern stand das Zeichen. Der König wurde ärgerlich und befahl den Soldaten, sie sollten diesen Abend das ganze Schloß umzingeln, daß keine Maus hinein und heraus käme. Auch vor die Stubenthür seiner Tochter sollte eine starke Wache gestellt werden. Er selbst wolle bei seiner Tochter bleiben. Aber dessen ungeachtet wurde sie am Abend doch weggeholt; denn den eisernen Mann konnte Niemand sehen.

Und am andern Morgen erzählte sie wieder ihre Begebenheit; auch daß sie den Abend eine derbe Ohrfeige von dem Soldaten gekriegt habe, wovon sie noch die Finger auf der Backe sitzen hätte. Das war dem König zu arg und er sagte seiner Tochter ganz leise in's Ohr und machte drei Kreuze dazu, sie möge diesen Abend seinen goldenen Ring anziehen und denselben unter das Bett des Soldaten legen. Das that sie auch.

Ach, sagte sie am andern Morgen, diese Nacht hat mich der Soldat fürchterlich geschlagen, weil ich ihm nicht ordentlich dienen wollte. Da befahl der König, jedes Haus in der Stadt nach dem Soldaten und dem versteckten Riug durchzusuchen und wo sie den Ring unterm Bette fänden, den Mann mitzunehmen und zu ihm zu bringen, dem das Bett gehörte. Es dauerte nicht lange, da wurde der Ring bei dem Soldaten gefunden, denn er hatte es nicht gemerkt, daß die Prinzessin den Ring da versteckt hätte. Unser Soldat wurde verurtheilt zum Strange, und der Tag dazu angesetzt. Drei Tage hätte er noch, sich zum Tode vorzubereiten.

In der Zeit bekam er Gelegenheit, einen Boten in seine Wohnung nach den Wachslichten zu schicken. Der Bote brachte sie, erhielt dafür Geld genug und nun mußte der eiserne Mann her und dem Soldaten aus der Noth helfen. Der eiserne Mann sagte: Warte so lange, bis du auf dem Brett unter dem Galgen stehst. Dann kannst du noch eine Bitte thun, die muß dir gewährt werden. Du hast dann dein Wachslicht mit, steckst es an und ich bin da. Ich werde dann meine Schuldigkeit thun. Wen ich treffe, dem thut der Kopf nicht mehr weh. So kam's auch. Der Soldat war fröhlich und guter Dinge, worüber sich der Gefangenwärter nicht wenig wunderte, aß und trank und schlief die Zeit hindurch so ruhig, als wenn ihm gar nichts darum wäre, daß er sterben müsse.

Als er nun auf dem Brett stand, und der Henker ihm das neumodige Halsband umthun wollte, sagte der Soldat: Halt, so weit sind wir noch nicht. Ich habe noch eine Bitte, die wird mir gewiß noch gewährt. Ja wohl, sagte der König, der mit seiner Tochter auch hingekommen war, damit sie sah, wie es dem Bösewicht gieng, der sie so gelohnt hatte. Ja wohl, die Bitte soll dir gewährt sein, wenn sie nicht unbillig ist. Nein, sagte der Soldat, ich will nur noch einmal mein Wachslicht anstecken und brennen sehen. Das kann geschehen, sagte der König. Nun wurde das Wachslicht angesteckt; gleich war der eiserne Mann mit einem dicken Knüppel da, schlug zunächst den Henker und dann die zunächst stehenden Leute todt und mähte dazwischen fürchterlich, daß sie fielen wie die Fliegen und keiner konnte von der Stelle.

Nun wurde dem König angst, wie der eiserne Mann mit seinem Knüppel näher und näher rückte. Da schrie er hin zu dem Soldaten, er möge dem eisernen Mann befehlen, daß er aufhöre zu schlagen; der Soldat solle auch die Prinzessin zur Frau haben. Da blies der Soldat das Licht aus und weg war der eiserne Mann. Der Soldat bekam seine Frau und hatte alles heillos in Respekt, selbst seinen Schwiegervater und wenn der so einmal nicht wollte, wie er, brauchte er nur zu sagen: Na, soll der eiserne Mann kommen? Dann geschah alles, was der Soldat wollte. Später ist er noch König geworden; in großer Noth oder Krieg hat er noch bisweilen den eisernen Mann kommen lassen, und der hat ihm jedesmal geholfen. Als der Soldat aber todt ist, da sind auch die Wachslichte weg gewesen.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862