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Der Stieglitz

Ein armer Bergmann verdiente sich mit Vogelfangen manchen Groschen. Sein kleiner Gottfried, ein Junge von elf Jahren, fand auch viel Gefallen daran und machte sich oft mit dem Stellbusch allein fort und fieng auch öfters was. Einmal aber, da er schon den ganzen Morgen vergeblich aufgestellt hatte, kam ein Stieglitz und sezte sich ganz gemüthlich auf die Leimruthe und ließ sich fangen. Er zuckte noch nicht einmal, als der Knabe hinkam und ihn abnahm. Darauf gieng der Junge nach Haus, steckte den Vogel in ein Häuschen und hing ihn an die Wand, Mohn und Wasser natürlich that er erst ein.

Am andern Morgen, als der Knabe füttert (den Vögeln allen Futter giebt) und an den Stieglitz kommt, liegt auf dem Boden des Vogelbauers ein goldenes Ei, so groß wie ein gewöhnliches Stieglitzei. Er nimmt's heraus und zeigt's am Abend dem Vater; da ist denn große Freude. Den Abend geht noch der Bergmann mit dem Ei, das pures Gold gewesen ist, zum Goldschmied und bekommt riesiges Geld dafür. So geht's einen Tag und alle Tag, ein Vierteljahr lang. Darnach fängt der Stieglitz an zu reden und sagt: Ich habe euch ein Vierteljahr lang Eier gelegt, dadurch seid ihr reich geworden; jetzt muß ich aber wieder fort. Nun laßt mich wieder hinaus und stellt keine Vögel wieder, sonst verschwindet euer Reichthum, wie der Tag. Sie lassen ihn hinaus, husch ist er fort. Die Familie ist aber reich geblieben, weil sie nicht weiter Vögel gestellt hat.

Quelle: Sagen und Märchen aus dem Oberharz, gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862