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Vom Bonifacius, dem thüringischen Apostel

In dem großen Frankenreiche sank immer mehr das königliche Ansehen, und es hob sich die Macht der sogenannten Hausmaier, (Majores domus). Auf beide aber gaben sehr wenig die nachfolgenden thüringischen Herzoge, sie suchten ihre Unabhängigkeit zu behaupten. Radulfs Sohn, Heden, und wieder dessen Sohn, Gozbert, herrschten so tyrannisch, daß ein großer Theil des thüringischen Volkes sich hülfesuchend zu den Sachsen wandte, die es aber nicht minder bedrückten. Das Land blieb lange ein Spielball in der Hand der Mächtigen. Karl Martell vermachte es seinem Sohn Karlmann, und dieser beschützte es gegen erneute Einfälle der Sachsen; dann kam es unter die Herrschaft Pipins, als Karlmann ein Mönch wurde. Oft zog Pipin in seinem Bruderkrieg gegen Gripho durch Thüringen, und Karl der Große berührte es nicht minder auf seinen Heereszügen, da er die Sachsen zwang. Zu diesen Zeiten war hin und wieder ein Strahl der Christuslehre in Thüringen eingedrungen, aber nicht tief, und mancher ihrer Bekenner fiel wieder ab.

Da war es, daß Bonifacius, Bischof von Mainz, der aus England stammte und früher Winfrid hieß, sich aufmachte, und gedachte, Thüringen vom Heidenthum zum Christenthum zu bekehren, doch erkundete er zuvor des Landes Gelegenheit. Ein alter Ritter war da, der sprach zu ihm: Das Land zu Thüringen ist zwölf Meilen lang und breit, beschlossen mit zwei großen Wäldern, dem Thüringer Wald und dem Harzwald, und mit zwei Wassern, der Werra und der Saale; käme es zum Glauben und würde angebaut, so wäre es zur Nahrung in solcher Größe eines der besten Länder der Welt. Wie Bonifacius das vernahm, sammelte er viel Volkes und zog mit Heereskraft nach Thüringen.

Als die Thüringer das hörten, erschracken sie sehr, fürchteten sich und flohen ein Theil mit Weib und Kind in einen Bruch bei der Unstrut, hinter einen Wall, die Trettenburg, wo sie todt oder lebendig bleiben wollten; es waren der Städte und Burgen, wo sich das Volk hätte halten können, noch nicht viele im Lande. Der Bischof zog bescheidentlich in das Land, ließ die Thüringer zu sich entbieten, und diese sandten ihre Klügsten zu ihm, zu vernehmen, was er begehre.

Der Bischof sprach zu diesen: Liebe Thüringer, ihr sollt euch taufen lassen und an Christum glauben und seinen Glauben annehmen; thut ihr das, so kommt es euch zu Nutz und Frommen, und soll euch nimmermehr reuen, thut ihr es nicht, so reden wir anders mit einander. Die Thüringer fragten: Was für Nutz und Frommen entsteht uns davon und welcher Genuß? Nun sprach Bonifacius viel davon, daß Gott auf die Erde gekommen sei um der Menschen willen, und selber Mensch geworden, Gerechtigkeit und Friede habe er mitgebracht, und seine Bekenner befreie er von unrechter Gewalt an Leib und Gut auf Erden, und ihre Seelen ´aus der Macht des Teufels und der Hölle.

Da sprachen die Thüringer: So Dein geborner Gott das vermag, so schicke, daß er auch vermöge, uns des Zehnten zu erledigen, den wir dem Hunnenkönig geben müssen von Leib und Gut, sogar von unsern Kindern. Wird uns nur das Eine verkündet, daß wir des Zehnten ledig sind, so wollen wir getreulich glauben und Dir gerne folgen; ist's aber nicht, so wollen wir nimmermehr glauben an die Macht des gebornen Gottes, vielmehr todt und lebendig bei unserm alten Glauben bleiben. Des sage uns eine Antwort zu oder ab. Darauf wußte der Bischof nichts zu erwiedern, ging, und bedachte sich mit den Seinen und sagte denen: Ich bedarf guten Rath, der Hunnenkönig ist zu mächtig, als daß ich die Thüringer ihres Zehnten an ihn frei machen könnte. Soll ich sie bekriegen und tödten, so möchte ich nicht die Last ihres Blutes tragen; soll ich sie in ihrem Unglauben lassen, so möchten andere Neubekehrte auch wieder abfallen. Die Räthe meinten, es sei am besten, Frist zu gewinnen, und den Thüringern Bedenkzeit zu geben.

Als Bonifacius des Nachts an seiner Ruhe lag und die Seinigen mit ihm, kam eine Stimme von Gott, freisam und schrecklich, so daß der Bischof dachte, sein Ende wäre nahe, und die Stimme sprach also zu ihm: Zweifler! wie sollen die Thüringer an mich glauben, wenn Du selbst an mir zweifelst? Ich bin vom Himmel gekommen um des Menschen, meines Bildes willen, und habe Recht und Gerechtigkeit mitgebracht, Armen und Reichen durch mein Blut gleich zugewogen, und ich will nicht, daß ein Mensch von seinem Leibe Zing und Zehnten gebe. Darum sage die Thüringer los von ihren Zehnten an den König der Hungarn, und bleibe bei ihnen des zur Urkunde und zum Zeichen, bis meine Hülfe kommt.

Solches verkündete nun Bonifacius den Thüringern, die wurden seines Trostes froh. Er hatte damals sein Lager noch an der Unstrut, an dem Ort, wo später das Kloster Neilstädt erbaut wurde. Als die Ungarn vernahmen, was geschehen sei, fielen sie heraus aus ihrem Lande mit großer Macht, stürmten an gegen das Lager der Thüringer in dem Bruch mit solcher Gewalt zu Roß und zu Fuß, daß viele von ihnen in die Unstrut gedrängt wurden, und gegenüber stand der Bischof und flehte Gott an um Sieg. Gott half ihm, und die Thüringer erschlugen der Ungarn so viel, daß die Unstrut weit hin mit Blut sich färbte; was auf dem Rieth war, wurde erschlagen, die andern auf sicherem Boden flohen hinweg. Die Wahlstatt heißt noch: auf der Fahre. Es blieben auch zwei todt von des Bischofs werthen Leuten, jenseit dem Rieth, denen wurden zwei Kreuze am Wege errichtet, wo man von Tonna nach Salza geht. Die Thüringer ließen sich taufen und glaubten an den eingebornen Sohn Gottes. Bonifacius aber zog wieder an den Rhein, und das war sein erster Zug, den er nach Thüringen gethan.

Quellen: