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Von Karl dem Großen, und wie das Thuringer Land einen Landgrafen erhielt

Wie Gott der Herr den Glauben der Thüringer gestärkt hatte, freuten sich sehr darüber der Papst in Rom und Karl der Große. Und der Kaiser sandte zu den Thüringern einen Boten, der ihnen feine Hülfe zusichern sollte, und ihnen sagen mußte, er wolle ihnen einen Richter sehen, der sollte sie bei allen ihren Rechten behalten. Des Kaisers Bote war ein fränkischer Herr, des Geschlechts von Stauffe, und war so tugendhaft und richtig, daß ihn die Thüringer lieb hatten und gern um Rath fragten, und weil er einen langen Bart trug, nannten sie ihn den Grafen mit dem Bart.

Darnach zog Karolus Magnus selbst in das Thüringer Land, hiesch das Volk zusammen, und sprach zu ihnen, sie sollten aus ihrer Mitte einen Richter küren, den wolle er ihnen bestätigen, und der solle sie beschützen vor unrechter Gewalt und sie bei Recht und Friede behalten.

Die Thüringer traten unter sich zusamen und küreten, doch wen sie erwählten, der weigerte sich der Annahme, weil keiner gern über den andern richten wollte, wenn einer etwas verschuldete, und so erkoren sie einmüthiglich den Grafen mit dem Bart, und baten den Kaiser, ihnen diesen zum Richter zu geben. Der Kaiser bestätigte ihn, machte das Thüringer Land zu einem Fahnenlehen, belehnte den Herrn damit, verlieh ihm das Reichs-Fähnlein, und machte ihn zum Landgrafen von Thüringen, mit der Thüringer Wissen und Willen. Das that er, daß ganz Thüringen Recht und Gericht hätte. Der Landgraf solle wieder sechs Ritter küren, und diese noch sechs, die Edelsten und Klügsten, Insassen, keine Fremdlinge, diese zwölf sollten vereinigt dem Landgrafen einen heiligen Eid leisten, daß sie in allen Sachen nach bestem Verstand ohne Ansehen arm oder reich im Lande richten wollten, und des Landes Frieden erhalten.

Drei Mal im Jahr solle der Landgraf zu Gericht sitzen unter der Fahne, den Stab in der Hand, zur rechten und linken neben ihm die Zwölfe im Geding. Der Dingstuhl solle stehen im Rieth zu Mittelhausen bei Erfurt, in des Landes Mitten, und mit Decken überkleidet sein von oben bis zum Boden, und so beschaffen, daß man des Richters und der Schöppen Antlitz erblicken möge. Viele treffliche Gesetze ordnete noch Kaiser Karolus an und war wohl darauf bedacht, des Thüringer Landes Gebrechen abzustellen. Zum Gedächtniß seiner Gnade und Bestätigungen erbaute er auch drei Kirchen in Thüringen, eine zu Meldungen an der Ilm, eine zu Varila an der Unstrut, und eine zu Körner, einem jetzt gothaischen Dorfe. Und darum, weil er armer Leute Noth nach Gleichheit und Recht umwandelte, erhob ihn Gott und ließ ihn so groß werden auf Erden.

Außer dem Hauptdingstuhl zu Mittelhausenwurden noch vier Dingstühle gesetzt, dem Land zu Hülfe, im alten Land zu Thüringen, das waren die vier Vogteien, der Straßen und des Landes zu hüten, auf daß es Recht und Rühe habe. Einer stand da, wo nun Gotha liegt, einer da, wo nun Thomasbrück liegt, einer an der Stätte von Weißensee, und der vierte da, wo jetzt Buttelstädt gelegen ist.

Kaiser Karolus sprach zu den Thüringern zuletzt, da er scheiden wollte: Herr Landgraf und ihr Zwölfe des Landes, ist es, daß ihr die Gerichte also haltet, in Gleich und Rechte, so soll euch Friedens und Ehre nimmer gebrechen. Der Landgraf Ludwig mit dem Barte erbaute sich nun in Thüringen einen festen Sitz, die Schauenburg bei Friedrichrode1) und lebte hochgeehrt von dem ganzen Land.

Hernachmals als das Land Thüringen mehr bebaut, bewohnt, ausgerechnet, und Burgen, Städte, Dörfer, Wasser, Wälder und Berge benahmt waren, nannte man Schloß Wartburg das Haupt des Thüringerlandes, Schloß Elgersburg (im Thüringer Wald) den rechten, den Ebersberg (im Harz) den linken Arm, Weißensee das Herz, Eckartsberga die Füße, die auf den Saalstrom treten, und beschrieb es also: WARTBURG ELGERSBURG EBERSBERG WEISSENSEE ECRARTSBERGE SAALE

Quellen:


1)
Hier schließen sich die Sagenkreise von Reinhardsbrunn und von der Wartburg an.