<<< zurück | Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes | weiter >>>

Streit, Versöhnung und Verrath

Die Sachsen begannen härtiglich zu stürmen, so daß, wenn ein Panner abtrat und müde war, gleich ein anderes, das geruht hatte, den Angriff erneute. Da sahen die belagerten und bedrängten Thüringer ein, daß sie das in die Länge nicht aushalten könnten, warfen daher ihr Stadtthor auf und stürmten wohlgerüstet heraus, stritten heftig mit den Sachsen und schlugen ihrer aus der Maßen viele todt. Dann wichen sie mit ihrem König wieder in die Stadt zurück, doch spürten sie wohl, daß es in die Länge nicht währen möchte.

Deßhalb sandte Irminfried heimlich in der Nacht den Ritter Iring zu seinem Schwager Theoderich in das Lager, und der Ritter sprach zu dem König: Wenn Du auch nicht Deines Schwagers schonen willst, so solltest Du dich doch billig erbarmen über Deine Schwester und ihre Kinder und ihnen Gnade geben. Theoderich berieth sich mit seinen Räthen, und es waren etliche darunter, die murrten über die Sachsen, sprachen, es wäre nicht gut gethan gewesen, nach ihnen zu senden, und das grobe wilde Volk in das Land zu ziehen und Gesellschaft mit ihnen zu machen. Die Franken hatten sich sehr verwundert über der Sachsen starke Leiber und Gemüther, ihre fremdartigen Waffen, ihr langes Haar, das über die Schultern niederwallte, ihre groben Gewande, die starken Spieße, die großen Schilde, die langen Messer an den Seiten.

Da nun Iring bittend und flehend Gnade heischte, erweichte sich des Königs und seiner Räthe Herz, und diese sprachen: Es wäre sehr thörigt gethan, wollte Theoderich seine Schwester und deren Kinder verderben um seines Schwagers willen, weil dieser muthwillig und thöricht gegen ihn gehandelt; auch das Land und seine Schlösser den Sachsen zu geben, welche das Thüringer Land nie wieder los werden würde. Theoderich. werde jezt nun wohl seines Schwagers also mächtig, daß sich dieser nie wieder gegen ihn auflehnen würde, und Thüringer, Hessen und Wetterauer müßten ihm zu Gebote stehen.

Iring fiel Theoderich zu Füßen, als er Gnade erlangt für seinen König und Herrn, sandte durch cinen Knecht die frohe Botschaft in die Veste, und blieb die Nacht über in dem feindlichen Lager. Da war große Freude über die Nachricht von dem abgeschlossenen Frieden.

Da nun die Thüringer meinten, daß Friede sei, so ritt ein Jüngling, Namens Wito, gegen Abend mit einem Falken aus der Stadt und beizte an dem Ufer der Unstrut, da er den Falken nach einer wilden Ente stoßen ließ. Gegenüber aber kam ein Sachse, Gozhold geheißen, der lockte und fing den Falken. Der Thüringer bat, er solle ihm den Vogel zurückgeben, deß weigerte sich der Sachse. Da sprach der Thüringer: Laß den Falken fliegen, ich will Dir etwas sagen, das besser ist, als hundert Falken, bei meinem Eid! Wie nun der Sachse darauf den Vogel fliegen ließ, sprach der Thüringer: die Könige haben sich mit einander verföhnt, und zieht ihr nicht diese Nacht von dannen, so geschieht euch nichts Gutes.

Schimpfst und spottest Du, oder ist es wahr? rief der Sachse, und jener antwortete: Morgen des Tags wirst Du erfahren, ob ich die Wahrheit sprach. Der Sachse ritt alsobald in das Lager der Seinen und verkündete, was er gehört; da beriethen sich die Fürsten und Hauptleute mit einander, und etliche waren der Meinung, es sei am besten, in aller Stille aufzubrechen und heim zu ziehen.

Quellen: