Der Sachsen Sieg und Niederlassung

Wie die Sachsenführer so zur Flucht riethen, erhob sich ein alter Ritter, der hieß Herr Hagk, nach andern Hategast, ergriff das Panner, das er trug, darin der Sachsen Feldzeichen, ein Löwe, Drache und Adler war, und sprach: Ich habe lange gelebt und bin zu diesen Jahren gekommen, ich habe großen Schlachten beigewohnt und habe nie die Sachsen fliehen sehen. Kann ich nicht länger leben ohne Flucht, so ist mir süßer, ich sterbe hier, als daß ich fliehe. Seht die Erschlagenen an um uns her, unsere Brüder und Freunde! Lieber sind sie gefallen im Kampf, als daß sie ihr Leben gerettet durch feige Flucht. Wozu noch lange Teibung? Die Feinde sind müde vom Streit und sicher vom Frieden. Wir wollen sie im Schlaf überfallen, und ich gebe euch meinen Kopf, kommt es nicht, wie ich euch sage. Stärkt euch vorher mit Speise und bereitet euch still, bis ich euch ein Zeichen gebe, dann seid alle streitfertig.

Und als die Thüringer im ersten Schlafe lagen, erhob der Alte sein Panner und führte die Sachsen gegen die Stadt; sie stiegen hinein und überfielen sie. Vom Lärm erweckt, lief mancher Thüringer auf die Gasse, glaubte Freunde zu finden und ward erschlagen; andere entsprangen über die Mauer und kamen um. Die Sachsen erschlugen alle wehrhaften Männer; Jünglinge und Knaben fingen sie. Der König aber mit der Königin, ihren Kindern und wenigen Getreuen entkamen durch eine Pforte. Die Sachsen nahmen Thor und Thürme ein, fanden manchen Schatz, hielten die Stadt besetzt und erinnerten König Theoderich an sein Versprechen. Der überließ ihnen Scheidungen und alles Land jenseit der Unstrut, wie er verheißen.

Viele ehrbare Männer von den Sachsen blieben nun in Thüringen, bauten sich an und feierten alljährlich den Tag der Schlacht, welcher der erste October war, und nannten ihn Communio, das ist Theilnehmung, weil jeder sein Theil nahm Sie bauten auch die Sachsenburg am Harz, und der alte Ritter Hagk wohnte zuerst auf ihr. Man sagt auch, daß die von Stollberg sich zu dieser Zeit erhoben und ihre Burg aufingen zu erbauen.

Quellen:

• Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung