<<< zurück | Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes | weiter >>>

Reue und Versöhnung zu Reinhardsbrunn

Unter allen den Grafen und Herren, die zurückgekehrt waren aus dem heiligen Lande, war keiner so mit Wohlredenheit begabt, als der Schenk Rudolph von Vargula; diesen nun baten die andern insgesammt, er möge ihrer aller Wort bei dem Landgrafen wegen der Frau Elisabeth führen, und dieß that er auch. Sie schritten alle männiglich in das Zimmer, umringten den Herrn und der Schenk hob also an: Herr! Alle meine Freunde und die Mannen, die hier vor Euch gegenwärtig stehen, haben mich gebeten, mit Euch zu reden. Wir haben schon in Franken gehört und vernommen, und auch hier in Thüringen, Eure so große Unmilde, daß unser Gemüth erschrak und unser Angesicht von Schaam gefärbt wurde, darüber, daß man an Euch solche Unsitte erfindet! Ei, Ihr junger Fürst, was habt Ihr gethan! Wer hat Euch das gerathen, daß Ihr Euers Bruders Weib, die betrübte Wittwe, die Tochter eines edeln Königs, die Ihr billig getröstet und geehrt haben solltet, ohne Ursache von Euerm Schloß und aus Euern Städten gewiesen habt, wie ein übelthätiges, schnödes Weib, da doch ihr schöner Leumund aller Orten und Enden dem widerspricht? Und habt sie so gar unedel verworfen und in Eurer Stadt bitter darben und Mangel leiden lassen, gleich einer Bettlerin! Und Eures Bruders arme Waislein, die Ihr erzogen und in redlicher Vormundschaft gehalten und Ihnen Liebe und Güte erwiesen haben solltet, die habt Ihr lästerlich von Euch gewiesen; wo war da Eure brüderliche Treue? Solches hat Euch Euer seliger Bruder, dieser tugendsame Fürst, durch sein Beispiel nicht gelehrt und er hätte das nicht dem geringsten seiner ehrbaren Mannen gethan. Wir können kein rechtes Vertrauen zu Euch haben und Eure Gnade suchen, während Ihr solche schmähliche Untreue bewiesen habt !

Auf diese freie und treue Rede des Schenken schwieg der Landgraf ganz still, denn er wußte vor Schaam nichts zu erwiedern und richtete sein Haupt zu Boden, darauf nahm der Schenk von neuem das Wort: Herr! Was habt Ihr von der kranken, verlassenen, betrübten Frau gefürchtet, die im Elend, ohne Freunde und Verwandte hier in diesem Lande war und was würde Euch die heilige und tugendsame Frau gethan haben, selbst wenn sie alle Eure Schlösser inne gehabt hätte? Wie gar untugendlich lautet das, wenn man in andern Landen davon redet! Pfui der Schande, die wir von Fremden und Bekannten in unsere Ohren hinein hören müssen! Ihr habt sehr übel daran gethan! Ihr habt Gott erzürnt, daran ist kein Zweifel, Ihr habt Euch selbst erniedrigt, das ganze Thüringerland habt Ihr durch solche That gelästert und beschimpft, habt den Ruf der Fürstenehre geschwächt und wahrlich ich fürchte, daß die Rache Gottes dieses Land darum heimsuchen wird, es wäre denn, Ihr büset es ab gegen Gott und sühntet Euch gütlich mit der mildseligen Frau und gäbet Ihr das wieder, darum Ihr sie und Eures Bruders Kinder verkürzt habt !

Der Schenk schwieg. Alle Grafen, Ritter, Herren und Edelknechte, die da gegenwärtig standen, verwunderten sich, daß er also kühnlich mit dem Fürsten redete. Dieser aber begann heftig zu schluchzen, daß er lange nichts erwiedern konnte, endlich sprach er unter Thränen: Was ich gethan habe, ist mir herzlich leid, und denen, die mir dazu gerathen haben, kann ich nimmermehr, wieder hold werden. Und könnte ich die Vergebung und die Huld und Freundschaft meiner Schwester Elisabeth wieder erlangen, so will ich gern alles thun und geben, was sie nur haben will und Ihr sollt Macht haben, das ins Gleiche zu bringen, so wahr ich lebe !

Da sprach der Schenk: Das ist recht, und so handelt Ihr, wie es Euch geziemt. Darauf verließen sie den Landgrafen und begaben sich zu der trostlosen Frau Elisabeth, begannen sie zu trösten und sagten ihr, daß sie mit dem Landgrafen ihrentwegen geredet hätten und daß er gesagt, er wolle sich freundlich mit ihr versöhnen und was sie nur begehrte oder von ihm haben wolle, das wolle er gern thun. Elisabeth, die fromme, heilige Frau antwortete ihnen: Seiner Burgen, seiner Städte, seines Landes und seiner Leute und, alles das, davon man nur Sorgen und Bekümmerniß hat, begehre ich nicht; nur so viel, wie mir gebührt, von Rechts- und meiner Mitgift wegen und was mir mein seliger Mann zum Leibgedinge gesezt hat, das bitte und begehre ich von ihm, daß er mir es verabfolgen lasse, damit zu thun, was ich will zu meinem eignen Heil. Nach dieser Rede brachten die Herren den Landgrafen Heinrich zu ihr, der bat sie freundlich und um Gottes willen, ihm zu vergeben, was er an ihr gethan, es wäre ihm bitter leid und wollte sie gern erfreuen, womit er könnte, und thun, was ihr nur immer nützlich sein könnte, ergriff dabei auch flehend ihre Hand und sie fing an bitterlich zu weinen, und er weinte mit ihr. Auch denen blieben die Augen nicht trocken, die dabei waren, denn sie gedachten immer noch mit Trauer und Betrübniß an ihren seligen Herrn, den sie verloren hatten. Dann schieden sie mit noch mancher freundlichen Ermahnung an Landgraf Heinrich von dannen, und jeder zog seine Straße, heim zu seinen Freunden.

Quellen: