<<< zurück | Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes | weiter >>>

Der treue Eckart und der wilde Jäger

Der wilde Jäger fährt oft in sturmvollen Winternächten über den Wald, wenn Frau Holle ihr Bett ausschüttelt, daß die Schneeflocken wie Flaumfedern vom Himmel fallen und die Frau Holle fährt auch mit ihm. Mit einer großen Zahl verdammter Geister wohnt er im Schoos des Hörseelberges, aber zu seiner Zeit kommt das Gelichter der Hölle heraus mit lautem Halloh und tobendem Jagdlärm. Da sieht man Gestalten zu Fuß und Roß, theils hoch in den Lüften, theils auf der Erde hin, im schnellen Jagen ziehen. Zuweilen erkennt man darunter Leute, die noch leben, auch andere, die schon verstorben sind. Mancher reitet auf einem dreibeinigen Pferd, mancher hat seinen Kopf unter den Arm genommen, ein anderer ist an ein Rad gebunden und das Rad läuft mit ihm um und um; der hat das Gesicht auf dem Rücken, ein anderer hat seine Beine auf die Achsel gehockt und kommt doch mit fort. Solch Gespenst zeigte sich in vielen Landen, in Thüringen hat es aber seinen vornehmlichen Sitz im Hörseelberg. Es ist immer nicht gut, wenn es einem begegnet, daß er es sieht oder hört, aber mancher Jäger und mancher Hirte oder Holzhauer wissen davon zu reden. Wenn nun der wilde Jäger mit seinem wüthenden Heer herauszieht aus dem Zauberberg, so geht ihm jederzeit ein alter Mann voran, in der Richtung, in welcher das Höllengelichter ziehen will, ein alter Mann mit weißem Haar, der trägt einen weißen Stab in seiner Hand und das ist der treue Eckart. Wer diesem nun begegnen mag, der wird von ihm gewarnt, daß er zur Seite gehe oder sich niederwerfe und den Spuk nicht sehe, wenn er ihn auch hören muß. Das ist schon manchem begegnet mit dem treuen Eckart, und daher ist ein Sprichwort im Volke entstanden, das lautet: „Du bist der treue Eckart, du warnest jedermann“. Wenn der Tag graut und der Hahn kräht, fährt alle der tolle Spuk wieder zum Hörseelberg hinein, den läßt der alte, treue Warner an sich vorüberziehn und setzt sich innen in die düstere Felsenspalte, wo er harrt und wacht, so Tag wie Nacht und jeden warnt, der hinein will zu dem Venushof, um für irdische Freude die ewige Seligkeit zu opfern.

Man hat in den frühern Zeiten oft den Boden vor der Höhle des Hörseelberges glatt gekehrt und dann am andern Tag Fußstapfen von Menschen und Thieren in großer Menge davor gefunden.

Quellen: