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Königin Reinsweig

In dem fernen England lebte eine fromme Königin, Reinswig oder Reinsweig genannt, in Freude und Frieden mit ihrem Gemahl, den sie herzlich und aufrichtig liebte. Aber es starb ihr königlicher Herr und sie ward darüber betrübt bis in den Tod, denn der König hatte sie aus einem geringen Geschlecht um ihrer Tugenden willen erwählt und also hoch erhoben, und sie wollte nun der Treue an ihm nicht vergessen, sondern sie gab nach seinem Tode reichliche Almosen, ließ für seine Seele viele Messen lesen und Gebete thun, und vermeinte damit ihren Herrn etwa aus der Pein des Fegefeuers zu erlösen, er leide sie auch, wo er immer wolle, so fern es möglich. Als sie das eine Zeitlang mit großer Andacht getrieben hatte, erschien ihr des Nachts ein Gesicht, wie der Schatten ihres Gemahls, und sie hörte eine Stimme gleich wie die Stimme des verstorbenen Königs, die rief ihr zu, daß in dem Land Thüringen ein Berg wäre, eine Meile Weges von Eisenach gelegen, darin würde mit andern auch die Seele des Königs gequält und hätte von den Almosen und den Seelenmessen der guten Königin weder völlige Erlösung, noch auch nur Erleichterung der Fegefeuerpein zu hoffen. Deß erschrak die fromme Königin über die Maßen, berief ihre Jungfrauen und ihre Diener, nahm all ihr Gold und Gut, verließ England und schiffte über Meer nach Deutschland herüber. So kam sie zu dem berufenen Berg und wählte einen freundlichen Platz an seinem Fuß, baute eine kleine Kirche und ein klösterliches Haus, darin sie mit den Ihrigen wohnen und beten konnte, und nannte die Stelle Satansstätte, darum weil oft die bösen Geister unter Anführung des Satans aus dem Hör-Seelen-Berg erschienen und sich merken ließen, wie auch in benachbarten Orten Kälberfeld, Mechterstätt, Burla und andern. Als aber sich auch andere redliche Leute dort anbauten, wurde der Ortsname allmählig verändert und wurde aus Satansstätte Sattelstätte und endlich Sättelstätt.

Die fromme Königin Reinswig nahm noch andere heilige und fromme Jungfrauen und Weiber zu sich, diente Gott bis an ihr Ende und durch ihr großes Gebet, Almosen und gute Werke gelang es ihr, die Seele ihres Gemahls aus dem Hörseelberg zu erlösen, und als sie diese selige Gewißheit erlangt, starb sie und hinterließ ihren Jungfrauen viel Geld und Gut, eine stattliche Habe. Damals nun hatte Jungfrau Adelheit, des dritten Ludwigs von Thüringen Tochter, das Nikolaikloster zu Eisenach erbaut, dorthin begaben sich die Jungfrauen und Frauen der Königin von England und nahmen die Ordensregel des heiligen Benedict an.

Auch zu Mechterstett, zu Burla und zu Kälberfeld soll die fromme Reinsweig Kapellen erbaut und den Grund zu diesen Orten gelegt haben, wie noch die Sage geht.

Quellen: