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Die Mähr von dem Ritter Tanhäuser

Es war einmal ein edler Rittersmann aus dem Frankenland, zugleich Minnesänger von großen Gaben, der zu jener schönen Zeit lebte, als der edle Landgraf Herrmann von Thüringen an seinen Hof auf der Wartburg so viele Dichter versammelte, die in stolzen Liederwettkämpfen um hohe Preise rangen. Er war trefflich bewandert in der Kunde der Geschichte der frühen Zeiten und hatte nach kühnen Abentheuern hin und her die Welt durchfahren, fast alle Lande durchreist. Da kam er am Hörseelberg vorbei und hoffte noch vor Abends die Wartburg zu erreichen, dahin er wohl auch von dem Landgrafen geladen war, dessen er in einem seiner Lieder mit den Worten gedachte: Grave Hermann o we der Zit Das der nicht wart gekroenet, Des mus ich in von schulden klagen Got gebe im dort zu lone Nach seiner würde muze er tragen Im Himelrich die krone.

Als er nun recht in den Bereich des Zauberberges kam, sah er ein wunderliebliches Frauenbild in der Felsenpforte stehen, die hinab führte, von so unsaglichen Reizen, wie er noch nie gesehen, das war nach heidnischer Weise nur leicht und lockend gekleidet, winkte ihm und zugleich drang ein Schall süßer Lieder aus der klingenden Bergestiefe herauf. Und dieses war die Frau Venus, deren holder Liebeslockung der Ritter folgte. Ein ganzes Jahr lang blieb er bei ihr im Genuß aller Freuden, die den Sinnen schmeicheln, aber endlich trat auch bei ihm das Gefühl der Uebersättigung ein, er fühlte sich nicht mehr angezogen von den Reizen der Zauberfei und der Gesellschaft in dem unterirdischen Minnehof und es wurde in ihm eine unbezwingliche Sehnsucht rege, diesen Ort der Sünde zu verlassen; dagegen sträubte sich Frau Venus gar sehr, als er ihr den Entschluß kund that, daß er sich wieder hinwegbegeben und versuchen wolle, ob er nicht Vergebung seiner großen Versündigung erlangen möge; endlich gelobte er ihr an, fest und unverbrüchlich, zu ihr zurückzukehren, wenn sein Wunsch nicht in Erfüllung gehe und er keine Gnade finde, und dann ewiglich bei ihr zu bleiben. So entließ sie ihn traurig und betrübt und der Ritter trat wieder aus dem Berge. Damals lebte zu Rom ein Papst, der hieß Urban, ein strenger Mann, zu diesem zog der edle Tanhäuser, weil es so gebräuchlich war, daß große Sünder in das heilige Land oder doch wenigstens nach Rom wallfahrten mußten, um den Himmel zu versöhnen und von den Qualen ihrer Schuld freigesprochen zu werden. Zum Papst Urban trat der Tanhäuser, fiel vor ihm nieder, küßte ihm die Füße und beichtete die schwere Schuld, daß er ein Jahr lang in Frau Venus Berge gewesen sei. Darüber erzürnte sich Urban über die Maßen, ließ den aufrichtig Bereuenden sehr hart an und zeigte auf den weißen Kreuzesstab, den er hatte, indem er ausrief: So wenig dieser dürre Stab grünet und jemals wieder grünen wird und kann, eben so wenig hast Du zu hoffen, daß Dir jemals bei Gott und mir Verzeihung und Gnade werden kann und wird!

Solches harte Wort bewegte den edlen Tanhäuser tief. Er bat und flehte, ihm doch nur ein Jahr Zeit für Reue und Buße zu lassen, aber es war alles vergebens.

Traurig und tief bekümmert und verzweifelnd an seinem Gott und Heiland zog der arme Ritter wieder zurück den weiten Weg, und kam zu seiner Frau Venus, die ihn freundlich und minniglich empfing. Er ging hinein in den Venusberg und ist nie wieder herausgekommen. Nach dreien Tagen aber hob der Stab des Papstes an zu grünen durch ein göttliches Wunder der ewigen verzeihenden Liebe, und der Papst sah erschüttert, daß bei Gott möglich sei, was ihm, dem Menschen, unmöglich geschienen. Da sandte er Boten hinaus in alle Lande, nach allen Richtungen hin, den Ritter zu suchen, ihn zurückzurufen und ihm die Gnade des Himmels zu verkünden, aber er war nicht zu finden und muß nun in dem Berge bleiben bis an der Welt Ende. Später wurde ein Lied auf den Tanhäuser gedichtet und gesungen in allen deutschen Landen; es war ein fliegendes Blatt vom blätterreichen Baum der Poesie und nahm sich in seiner alten Gestalt so aus, wie es hier folgt.

Quellen: