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Wie der Landgraf seine Tochter von der belagerten Wartburg führte

Als der römische König vernahm, daß die Wartburg in des Landgrafen Friedrich Händen war, sandte er gen Mühlhausen und Nordhausen, auch gen Erfurt und forderte die Städte zur Hülfe gegen Wartburg auf. Da erhob sich ringsum großes Getümmel von Kriegsvolk. Mit des Königs Streitern zog heran der Graf von Willnau, der königliche Hauptmann über Thüringen, und besetzte die Eisenacherburg, schlug auch mitten auf dem Berge eine hölzerne Burgfriede auf, auf steinernem Fundament, einer Lanze hoch, darin die Küche sich befand, dann kamen die von Eisenach zu ihm und hieben in das har-te Gestein eine Stätte zu einer Blide, welche zwischen der Eisenacher und der Sophienburg aufgestellt wurde und womit sie Steine auf die Wartburg schleuderten; diese bau-ten auch eine Feldküche. Die Hülfsvölker von Erfurt lagerten sich hinter die von Eisenach, etwa dem Rudolphsbrunnen gegenüber, die von Mühlhausen lagerten sich vorn an den Berg, nahe bei der Burgfriede des Königs, und die von Nordhausen schlugen ihr Lager im Gilgenthal, in der Nähe der St. Egidienklause unterhalb der Wartburg auf. Von allen diesen Lagern und Küchen findet man noch die Wahrzeichen. Auch der zerstörte Mittelstein wurde besetzt, und die Eisenacher waren Tag und Nacht rege und setzten mit dem Volk des Königs der Wartburg mit Stürmen sehr hart zu, konnten ihr aber nichts anhaben, als durch Blidenwerfen und die strenge Bewachung, durch welche alle Zufuhr abgeschnitten wurde.

In so bedrohlichen Kriegsläuften gebar Frau Elisabeth ihrem Gatten eine junge Tochter; es war aber kein Pfaffe auf der Burg, der das Kind hätte taufen können. Da ward zur Nacht das Wartburgthor aufgethan und es ritt muthig heraus der freudige Friedrich, mit ihm zwölf feste Kampfgesellen, die hatten in ihrer Mitte auch zu Roß die Amme mit dem acht Tage alten Kind. Still ritten sie den Berg herab, an der Stadt vorbei über den Gaulanger und über den Sengelbach, da erst machten die Wächter Lärm in der Stadt. Scharf ritten Friedrich und seine Gefährten in der Richtung nach Schloß Tenneberg zu, doch wie sie eine Strecke geritten waren, merkten sie, daß sie von vielen verfolgt wurden. Eiliger ging die Flucht über Höhen, durch Thäler, als das Kind heftig zu schreien begann, da ließ die Amme ihr Zelterlein ruhig traben und die Ritter an sich vorbeireiten, nur Friedrich blieb hinter ihr und fragte besorgt: Was fehlt dem Kind? – Herr, sprach die Amme, es schweiget nicht, es sauge denn. Halt! donnerte dann des Landgrafen Stimme den Seinen zu: Meine Tochter soll wegen dieser Jagd nichts entbehren und kostet' es das Thüringerland! Nun schaarten sich alle um die Amme her, die mit dem Kinde hielt und es stillte. Auch glückte es dem treuen Vater, daß ihn die Feinde so lange nicht irrten, wiewohl sie ihm so nahe waren, daß er immer den Hufschlag ihrer Pferde vernehmen konnte, doch da sie ihn zwei Meilen Wegs verfolgt hatten, kehrten sie wieder um und er kam noch vor Tagesanbruch nach Tenneberg. Dort ließ er durch den Abt von Reinhardsbrunn das Kind taufen, auch Elisabeth nennen und verordnete, daß es mit seiner Amme auf Tenneberg bis auf eine bessere Zeit bliebe. Der Landgraf aber, damit er die edle Wartburg nicht verliere und sein Weib mit ihrer Mutter und ihrem Gesinde nicht Mangel und Hunger litten, zog zu seinem Schwager, dem Herzog von Braunschweig, und bat ihn, daß er ihm Hülfe leiste.

Quellen: