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Wie Elisabeth ihres Gemahls Tod erfährt

Auf der Meerfahrt verschied zu Otranto der edle Landgraf. Was für Klage und Weinen um ihn von den Seinen geschah, das ist nicht zu sagen. Als er sich zu Schmalkalden mit seiner lieben Elisabeth letzte, hatte er ihr einen kleinen Siegelring gezeigt, in dessen Stein ein Agnus Dei gegraben war, und gesagt: Allerliebste Schwester, dies Fingerlein soll Dir eine wahre Botschaft meines gesunden Lebens oder meines Todes sein, wenn Dir das jemand bringen wird.

Ein Bote ward gesandt nach Thüringen, daß er des Landgrafen Tod seiner Frau, seiner Mutter und seinen Brüdern verkünde. Nun gingen die Verwandten zu Rathe, wie sie die Nachricht vor die fromme Elisabeth bringen möchten, und die betrübte Mutter sprach weise zu ihren Kindern: Ihr sollt allen unserm Gesinde bei Leib und Leben verbieten, weder mit Worten noch mit Werken Zeichen zu geben von dieser Botschaft, daß Elisabeth (die ihrer Entbindung nahe war), nichts davon erfahre und dadurch in jähen, schädlichen Schrecken versetzt werde. So geschah es, daß des Fürsten Tod ihr verschwiegen blieb, bis sie aus den Sechswochen kam, dann überlegte Frau Sophie, daß es ihr niemand besser kund thun werde, als sie selbst, ihre Schwiegermutter, nahm mit sich einige ihrer Frauen, ging auf das Mußhaus und sandte nach Elisabeth, daß sie zu ihr käme. Als Elisabeth eingetreten war und sich gesetzt hatte, hob die Schwiegermutter an: Liebe Tochter, Du sollst eines starken Gemüthes sein und Dich nicht zu heftig betrüben über das, was Deinem Herrn, meinem Sohne, Widerwärtiges oder Ungemachs widerfährt, der sich und alle die Seinen in Gott ergeben hat. Damit glaubte Elisabeth zu vernehmen, daß er gefangen, nicht daß er todt sei, weil jene es nicht ohne Thränen sagen konnte, und antwortete der Schwiegermutter: Ist es so, daß mein Bruder gefangen ist, so mag er mit Gottes und seiner Freunde Hülfe wohl wieder ledig werden. Auch mein Vater soll dazu helfen. Da sprach aber die Schwiegermutter: Sei geduldig, Du allerliebste Tochter, und nimm zu Dir dieses Ringlein, daß er Dir gesandt hat, denn er ist leider gestorben. Elisabeth wurde bleich und roth, sprang auf ganz trostlos und lief eiligen Schrittes durch den Saal, rufend: Gestorben! gestorben! gestorben! Die Frauen gingen ihr nach, setzten sie nieder, suchten sie zu trösten, und sie begann bitterlich zu weinen und zu klagen: Ach, Herre Gott, Herre Gott! Ach, mir armen, trostlosen Wittwen! Ach, mir elenden Frauen! Nun tröste mich der, der Wittwen und Waisen mit seiner Gnade nicht verläßt. Da erwachte auch in dem Herzen der Mutter von Neuem der Schmerz und sie erhub mit dem ganzen Hofgesinde ein trauervolles Jammern und Wehklagen.

Quellen: