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Von dem Meister Klinsor

Es herrschte in Ungarn ein König Namens Andreas, ein mildthätiger Fürst, der mit den Ungläubigen in stetem Kampf begriffen war. Er rüstete jeden mit Gold und Gaben aus, der sein Schwert zur Ehre des christlichen Glaubens ziehen wollte; er war reich und mächtig und hatte sehr ergiebige Bergwerke, und Gott fügte es, daß des Königs Schatz nicht abnahm, wieviel auch für dessen stattliche Hofhaltung aufging. Einst hatten die Bergleute in einen neuen Schacht eingeschlagen, fanden aber kein Wahrzeichen edlen Metalles, und wie sie fast alle Steine um und umgewendet, wollten sie muthlos wieder von dannen gehen, als ihnen eine Geisterstimme zurief: Habt gemach mit euerm Suchen! Ein unaussprechlicher Schatz von goldnem Erz liegt in diesem Berg verborgen, den suchet, denn Gott ist euerm König hold und gnädig, und er soll zu seinem Seelenheil den Armen davon desto reichlicher geben. Wir haben lange des Schatzes gehütet, nun ist uns geboten, ihn euch zu überlassen, darum arbeitet und findet ihn; solches offenbaret euch der König des Himmels, und nun schlaget ein sonder Furcht!

Die Bergleute, als sie das hörten, schritten von Stund an wieder zur Arbeit, und entboten's dem Könige, der lobte Gott und sandte aus nach guten Werkleuten, die den Bergbau verständen und richtig betreiben könnten. Da war ein Meister, der hieß Klinsor, wohlerfahren in den sieben freien Künsten, den hielt der König hoch, und er ging in dessen Rath, empfing alljährlich dreitausend Mark Silbers, dazu Kleider und köstliche Speise und war berühmt in allen Landen. Er war nicht nur im Bergwesen wohl erfahren, konnte die verborgenen Schätze finden, sondern er war auch der größten Sangesmeister einer, besaß die Gabe der Weissagung aus den Sternen, und verstand die Zauberkunst trefflich wohl. Starke und mächtige Geister waren ihm dienstbar.

Zu diesem Meister Klinsor nun kam Herr Heinrich von Ofterdingen und offenbarte dem, wie es ihm zu Wartburg ergangen, gab ihm auch die Briefe des Herzogs von Oesterreich. Wie der Meister die Briefe las und des Sängers Erzählung hörte, tröstete er ihn freundlich und sprach: Sei getrost Geselle, wir wollen Dein Unglück wohl von Dir wenden. Ich will selbst mit Dir fahren, ihre Lieder hören, und die Zwietracht ausgleichen, doch sage mir auch Deine Gedichte. Ofterdingen sang dem Meister alle seine Lieder, die jenem ohne Maaßen behagten, dann mußte der Sänger noch viel von seinen Feinden erzählen. So blieb nun Heinrich vonn Ofterdingen bei dem Meister Klinsor; sie vergnügten sich mit mancher Kurzweil, und unvermerkt verging das Jahr, ohne daß der große Meister Anstalt zur Reise gen Thüringen machte. Ja er verzögerte die Abfahrt bis der Tag herbeikam, an welchem die Frist zu Ende war, und am andern Tage Ofterdingen hätte in Eisenach sein müssen. Das war dem jungen Meister mächtig leid, und er klagte, daß er nun müsse als wortloser Mann landflüchtig bleiben und die edle Sangeskunst nicht mehr ausüben dürfe. Ach lieber Meister, sprach er: lasset mich nicht von euch scheiden so jämmerlich; ich kann und will es nicht glauben, daß Ihr mich ohne Hülfe ziehen laßt. Klinsor tröstete den Klagenden mildiglich und sprach: Geruhige Dich nur, mein Sohn, wir kommen wohl noch hin, wir werden nicht lange fahren, wir haben starke Pferde und einen leichten Wagen. Und er ließ ihn Abends bei sich essen, und als er einen Trunk gethan, sank er in tiefen Schlaf. Darauf ließ ihn der Meister auf eine lederne Decke legen, legte sich dazu, hüllte sich und Heinrich ein, und gebot seinen Geistern, sie beide gen Eisenach zu führen und in das beste Wirthshaus.

Sanft und wohl kamen sie dahin in derselben Nacht, in Heinrichs Hellgrafen Hof, eines Mannes, der der Gastung pflegte, und der gelegen war nahe am St. Georgenthor, zur linken Hand, wenn man aus der Stadt ging. Ofterdingen erwachte, wie der Thürmer den Tag anblies, und hörte verwundert von der St. Georgenkirche die Meßglocke. Er sprach: hab ich nicht oft schon diese Glocke gehört? Dünkt mich doch, ich sei dort zu Eisenach. Lächelnd sprach Klinsor: Dir träumet vielleicht. Ofterdingen wußte nicht wie ihm geschah; er sah die Häuser, die Gassen an, er rief verwundert aus: Ich sehe das St. Georgenthor, sehe die Leute hinaus zum Feld gehen! Gelobt sei Gott, daß wir hier sind, und dieß ist ja des Hellgrafen Haus.

Gar bald gelangte zur Wartburg hinauf die Mähr, daß Ofterdingen zurückgekehrt sei und den fremden Meister mitgebracht habe. Da gingen die Sänger herunter von dem Schlosse, empfingen den Meister ehrlich, entboten ihm große Geschenke und fragten, wo beide den Abend zuvor gewesen wären und Nachtrast gehalten hätten? Da sprach Ofterdingen: Wir sind in Siebenbürgen schlafen gegangen und zur Mettenzeit waren wir hier. Wie das zugegangen, weiß ich nicht und vermag es nicht zu sagen.

Also gingen nun alle hinauf zum Landgrafenschloß, und wurden die fremden Gäste von dem Fürsten und seinem Hofstaat herrlich empfangen.

Quellen: