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Von der ruhelosen Brandstifterin

  Werben

In Werben lebte eine alte Frau, die hatte dreimal Feuer im Dorfe angelegt, aber kein Mensch hatte je Verdacht auf sie geworfen. Als es zum Sterben ging, liess sie ihren einzigen Sohn rufen, erzählte ihm Alles und bat denselben, er solle nach ihrem Tode allen Leuten im Dorfe erzählen, sie habe das Feuer angelegt. Darauf starb sie. Der Sohn aber dachte: „Du willst Deiner Mutter im Grabe nichts üebles nachsagen.“

Er war sehr traurig über diese Eröffnung, sagte aber, seinem Vorsätze getreu, nichts. In der ersten Nacht nach dem Begräbniss kam seine Mutter um zwölf Uhr an sein Bett, hob die Hände in die Höhe und sah ihn starr an. Dann legte sie sich über ihren Sohn, dass es ihm war, als müsse er ersticken. Um ein Uhr verschwand sie. Das ging so jede Nacht, mehrere Wochen hindurch, so dass der Sohn ganz elend wurde. Endlich fiel den Leuten das veränderte Wesen des Bauers auf: deshalb fragte ihn sein Nachbar, ob ihn der Tod seiner Mutter so sehr betrübe. Da erzählte der junge Bauer, was er seit dem Tode seiner Mutter erlebt habe. Der Nachbar erzählte im Dorfe Alles weiter. Seit der Zeit hat der Sohn Ruhe gehabt, seine Mutter ist ihm nicht wieder erschienen.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880