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Der Reitersmann

Der Enzbach nahm vor grauen Zeiten an der nördlichen Oeffnung des Thales, in welchem das Städtlein Neuerburg liegt, eine von der jetzigen ganz verschiedene Richtung, und fluthete, sich über die ganze Thaltiefe ausbreitend, hart an der felsenbesäeten Bergwand vorbei, deren Spitze das in großartigem Style erbaute Schloß krönte. Wann und Wer dem Bächlein die jetzige Richtung gegeben hat, darüber schweigen alle bis dahin bekannten Urkunden. Ein eben so schwieriges als verdienstliches Werk war es immerhin, den stürmischen Fluthen des Baches durch die mächtigen Felsenmassen ein Bett zu bahnen, von welchen er sich jetzt, zuvor durch eine steinerne Brücke eingeengt, mit schäumendem Gebrause in die Tiefe stürzt.

An diesen romantischen, im Sonnenstrahle wie ein von Gold und Silber durchwirktes Band erglänzenden Wasserfall reiht sich folgende Sage an: Es war eine kriegsbedrängte Zeit und in dem wegen seiner starken Ummauerung den feindlichen Schaaren leicht als Stützpunkt diensamen Städtlein lag, zu Schutz und Wehr der treuen Bürgerschaft, eine gar stattliche Waffenmannschaft. Und wie es das vielbewegte Soldatenleben mit sich bringt, so wurde gewaltiglich dem Becher und jeglicher Lebensfreude zugesprochen.

Es war schon weit in der Nacht und vom hohen Kirchthurme hatte schon längst in ernsten Tönen die an's Schlafen mahnende Stunde geläutet, da saßen noch etliche gar lustige Reitersmänner in der Kneipe und schwatzten von glücklich bestandenen Kriegsgefahren, von Stürmen und heißen Treffen und manch' waghalsiger Streich wurde unter lärmvollem Jubel und Lachen erzählt. Absonderlich aber ergoß sich ein jungblutiger Reitersmann in allerhand tollen Geschichten und er vermaß sich ernst und laut, jegliches und auch das bedrohlichste Gefährniß, das ihm die lustige Trinkcompagnie aufgeben wolle, zu bestehen.

Da erhob sich ein schwarzbärtiger Waffengeselle und sprach mit einem gar höhnischen Gesichte also zu dem wagigen Reitersmann: „So halte denn Wort, du wackerer Kämpe, sattle den Rappen und sprenge hinan zu den schaumbestaubten Felsen, von denen das Bächlein in wilder Wuth hinab brauset, und drücke dem Recken die Spornen in die Weichen und stürz' dich hinab in die Fluth und reitest du wohlbehalten aus dem Wellenkessel wieder heraus, so sollst du der erste sein unter deinen Waffengebrüdern und deine Ruhmesthat fliege von Jahrhundert zu Jahrhundert.“

Und der junge, ehrdürstige Kriegesmann erhob die eisenharte Rechte und drückte und schüttelte gar derb die Faust des schwarzen Gefährten und sattelte den Rappen und flog durch die rabenschwarze Nacht den jähen Felsen zu, an deren Fuße sich die Wogen eine unermeßbare tiefe Höhlung gegraben haben. Gar unheimlich brach sich das Wellengetöse an den düsteren Stirnen der nahen Felsencolosse und aus der Tiefe ertönte es wild und schauerlich herauf, so daß es unsern Reitersmann wie ein frostiges Beben anflog, und hätte er nicht hoch und heilig geschworen, das schwere Wagniß zu bestehen, er wäre wahrlich umgekehrt von der gefahrvollen Felsenwand und hätte sich wohl nimmermehr gebrüstet mit kecken Muthesthaten.

So aber hatte er sein Wort verpfändet, und er faßte sich Muth in die Seele und empfahl sich dem Höchsten und allen seinen lieben Heiligen, daß er ihn rette und ihn halte mit seinem allmächtigen Arme, wenn die Wellen sich um und über ihn grausiglich zusammenthürmten. Also ritt er denn hervor an den mächtigen Felsenvorsprung und mochte auch der Rappe sich bäumen und die schaumbedeckten Zügel in vergeblicher Wuth zerbeißen, der Reitersmann drängte immer ungestümer voran, und horch! in der Tiefe erscholl es jetzt dumpf und schwer, als sei einer der grauen Riesenfelsen, die den Wassersturz bewachen, hinabgesunken in die Fluth und zischend und brausend fuhren in gewaltigen Wellen die Wasser auseinander und warfen den schneeigen Schaum bis hoch an die Pfeiler des Brückleins.

Feierliche Stille, wie um ein Grab in Mitternachtsstunde, wurde es alsdann in der Tiefe, – die Wellen hatten ihre Beute erfaßt und hielten den Reitersmann sammt seinem Rosse in kühler Umarmung. In dem Wirthshause aber saßen noch die rauhbärtigen Waffengesellen und harrten in peinvoller Unruhe des wagmüthigen Kämpen; und als er nicht kehrte mit seinem Roß, da überlief sie ein eisigkalter Schauder, und sie stahlen sich weg aus dem Zimmer, und als es wieder Friede ward und Ruhe in und um dem Thalstädtlein, da eilten sie gar schleunig von dannen und mieden wohl fürderhin das peinliche Andenken an den verunglückten Reitersjüngling.

Wenn nun die Nacht das tiefe Thal stumm und düster wie eine ausgestorbene Welt umhüllt und das Bächlein wie in Jammer und Trauer längs der moosigen Sohle der Felsen dahinschleicht, dann erblickt man oft eine hohe, dunkle Reitersgestalt mit flatterndem Mantel auf wild schnaubendem Roß durch die Straßen fliegen und von dem hohen Felsenabhange stürzt er sich hinab in das Fluthenbett und die Wellen brausen gar gewaltiglich auf, bis sie nach und nach wie unter bangen Weheklagen an den bleichen Felsen dahinsterben.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847