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Ulda

  J. Btz

Eitelfried, Graf von der Neuerburg, war mit dem Kaiser nach Italien gezogen, um als Vasalle mit seinen Mannen in dem Streite gegen den Priesterfürsten an der Tieber seinem Herrn beizustehen. Kurz war der Kampf; als Sieger kehrten die Ritter heim.

Mit Eitelfried war zum Stammschlosse Ruffo, ein Römer, gekommen. Der Fremde hatte in den Straßen Rom's den Grafen aus den Händen der Meuchelmörder errettet, und war von da an sein unzertrennlicher Gefährte geworden. Doch in Ruffo's Brust wohnte eine schwarze Seele, und aller Künste der Verstellung war er Meister.

Nicht lange hatte er als Gast in Eitelfried's Schlosse verweilt, so warf er seinen unreinen Blick auf Ulda, die sittige und fromme Tochter des edlen Grafen, welche von bewunderungswürdiger Schönheit war. Aber vergeblich waren die listigen Bemühungen Ruffo's, einzuschleichen in der Jungfrau unschuldvolles Herz; mit Verachtung wies sie den Verführer ab. Das erfüllte den Verworfenen mit Rachedurst, und heiß kochte es ihm im Busen, denselben zu stillen.

Nicht fern vom gräflichen Schlosse erhob sich auf einer Anhöhe eine Kapelle vom Gebüsch umgeben. Dorthin wallte Ulda mit jedem Morgen, sobald der junge Tag seine ersten goldenen Strahlen leuchten ließ, um dem Allmächtigen die Erstlinge ihrer reinen Brust zu weihen. Bald hatte Ruffo den Morgengang erspäht.

Mit dem ersten Tagesschimmer eilte er hinaus in's dichte Gebüsch, und harrte allda, wo Ulda vorbeipilgern mußte. Kaum prangte das schöne Morgenroth am östlichen Himmel, - da kam Ulda den Waldgang entlang, ein Bild des heitersten Seelenfriedens. Doch welch' Entsetzen! – mit einem Male steht Ruffo vor ihr und hat den Weg gesperrt. Wilde Leidenschaft malt sich auf seinem Angesicht und spricht aus seinen Zügen.

Keine Flucht ist möglich; kein Hilferuf dringt in eines Menschen Ohr, „Was hab' ich Euch verschuldet, fremder Mann, daß Ihr höhnet?“ rief die Erbebte. „Sei meine Freundin, liebe mich!“ erwiderte Ruffo, und wollte die Erblaßte umfassen; aber sie stieß ihn kräftig zurück. „Dir hab' ich mich geweiht, heilige Mutter, Engelfürstin, verlaß nicht deine schwache Tochter, nimm mich in deine mächtigen Mutterarme!“ flehte die Verlassene.

Da Ruffo sah, daß weder seine Bitten, noch seine fürchterlichen Fluchworte und Drohungen etwas halfen, entflammte sich seine Wuth und er stieß den blanken Mordstahl in Ulda's Brust. Purpurne Blutwellen strömten aus der klaffenden Wunde und färbten mit dem reinsten Blute die Erde.

Schwärzer als je lag die Verdammung über dem Haupte des Mörders. Nicht lange säumte sein Fluchgeschick, und fuhr wie ein Blitzstrahl auf des Frevlers Haupt. – Wenn finstere Nacht auf Berg und Thal sich gelagert hat und die Thurmuhr zwölfe schlägt, dann ertönt schauerlicher Wehruf von der Höhe herab. Mancher späte Wanderer begegnete in tief nächtlicher Stunde dem ruhelosen Sohn der Mitternacht. Eiskaltes Grauen überfiel ihn, wenn er die fürchterliche Gestalt erblickte. Und wenn schwarze Wolken über den Bergspitzen lagern und der Sturm in Wald und Schluchten rast und heult, dann mischt sich des Friedenlosen hohles Aechzen in die wilden Stimmen des Orkans.

Die Sage hat den Unglücksort nicht vergessen, wo Ruffo die schwarze That übte. Unfern des Städtchens Neuerburg, über welchem hoch die graue Schloßruine ragt, zieht sich an der grünen Sohle eines Berges niederes Gebüsch hin, von Jedermann die Jungferhecke genannt. Von dem einsamen Kapellchen sind jedoch keine Spuren mehr vorhanden.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847