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Der Ritter von der Entersburg

  Sch.

Ungefähr eine Stunde vorher, ehe die schäumende Welle des Uesbaches an Bertrichs warmer Quelle vorübereilend dieselbe flüchtig begrüßt, umwandelt sie im einsamen Felsthale eine mit Wald bedeckte Anhöhe, welche auf ihrer abgeflachten Stirne die Trümmer einer alten Feste trägt.

Hier, so erzählt die Sage, war es, wo in alter Vorzeit einer jener Ritter hauste, die Stege und Wege umlagerten, die Wanderer plünderten und vom Raube lebten. Einer der Edeln der Umgegend, welcher gleichzeitig lebte, hatte sich das Vornehmen gemacht, den Raubritter auf seinen Streifzügen aufzuheben, und so ihm das Handwerk zu legen, Allein dieser, hievon alsbald benachrichtigt, ersann eine List, wodurch er stets Denen entging, welche, seine Spur aufsuchend und verfolgend, ihm und seinen Dienern nachstellten. Er ließ nämlich seinem und seiner Gefährten Rossen die Eisen verkehrt auf die Hufe nageln, und so zeugten die Tritte derselben stets das Entgegensetzte der Richtung, welche die Reiter genommen hatten. Nachdem man nun längere Zeit vergeblich sich bemüht hatte, des Raubritters habhaft zu werden, wurde beschlossen, seine Burg zu belagern, zu erstürmen und zu zerstören.

Und so geschah es. Eine Zeitlang hält die Besatzung der Entersburg die Belagerung aus; doch alsbald geht der Vorrath an Lebensmitteln auf und der Hunger erheischt die Uebergabe. Da erscheint auf der Ringmauer der Feste die Burgfrau und spricht zu den Belagerern: „Euch sei das Schloß übergeben und anheimgestellt, mit demselben und Allem, was darin ist, zu schalten und zu walten, wie es gefällt, wenn ihr mir gestattet, frei auszuziehen und soviel mitzunehmen, als ich in einer Manne (Korb) auf meinem Kopf davon zu tragen vermag.“ Der Antrag wird angenommen, es öffnen sich alsbald die Thore des Schlosses, die Burgfrau tritt hervor und schreitet mit einer Manne auf dem Kopfe durch die feindlichen Krieger ungehindert hindurch. Während nun diese in das Schloß ein dringen, und alles niederhauen, was lebend sie treffen, erreicht die Burgfrau das nahe mit dichtem Gesträuch bewachsene Thal; die Manne, welche sie auf dem Kopfe trägt, birgt ihren Gemahl und Beide rettet die Flucht.

Zum Gedächtniß dieser Begebenheit, so schließt die Sage, wurde das der Entersburg nahe gelegene Thal das „Mannethal“ genannt und trägt noch heute diesen Namen.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847