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Der eiserne Mann

  J. H. Lenz

Im Thal, nicht fern vom Städtchen Prüm,
Da ist es nicht geheuer;
Es haust allda mit Ungestüm
Ein Mann von purem Feuer:
Der klappert und klinget, als sei er von Guß,
Und wüthet und tobet gar sehr,
Den Wucherer, der ihm entbietet den Gruß,
Verfolgend mit feurigem Speer.

D'rum nimm , ein Solcher, dich in Acht,
Fürcht' dich vor diesem Manne
Und nahe nie um Mitternacht
Dem Prümer Geisterbanne!
Sonst wirst du vom eisernen Manne begrüßt,
Der deiner schon lange geharrt,
Und sich die unseligen Stunden versüßt,
Indem er dich peitschet und narrt.

Gar traurig ist fürwahr das Loos,
Das diesem Manne ward beschieden;
Er wandelt aller Freuden blos,
Geflohen von der Seele Frieden:
Er weiß, daß er nimmer in rollender Zeit
Zur seligen Ruhe gelangt,
Und nimmer verkostet die himmlische Freud',
Wonach er so sehnlich verlangt.

Ihn treibt's daher so feurig an,
Die Menschen abzuwenden
Von Thaten, die er selbst gethan:
Am Golde sich zu blenden,
Durch Wucher und Ränke von ärmlichem Gut
Sich Schätze und Reichthum zu scharr'n,
Und voll dann gesogen von redlichem Blut,
Ein Scheusal im Fluch zu erstarr'n.

Denn also lehret uns die Sag'
Daß Wucher er getrieben,
Und allen Wucherern zur Plag'
Am Leben sei geblieben.
In Eisen verwandelt, in klingendes Erz,
Er Jedem zur Warnung nun dient,
Der fürder sich, Armen zur Qual und zum Schmerz,
Den Wucher zu treiben erkühnt.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847