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Die Eberhardsklause

  A. Stork

Was schilt die Mutter ergrimmt und wild?
„Beim Teufel, packe Dich fort!“
Das Mägdlein flieht in den finstern Wald,
Es irrt ohne Schutz und Hort.
Wie irret so lang das Kind umher!
Der Wolf heult heischer nach Raub,
Es stürzet der Schnee, es starret die Fluth,
Es raschelt vom Baum das Laub.

„Wo bleibet mein Kind?“ Das Mutterherz klopft,
Und Thränen verdunkeln den Blick.
Sie ruft hinaus in den brausenden Wind,
Es tönt keine Antwort zurück.
Sie wacht und jammert die ganze Nacht
Sie ruft ihr Kind und weint;
Kaum dämmert der Wintermorgen herauf,
So weckt sie den Nachbarn und Freund.

Sie suchen umsonst in Dorf und in Flur,
Sie suchen auf windiger Höh',
Ach! nirgends, nirgends ein Fußtritt erscheint
In dem frisch gefallenen Schnee.
„Verzeihe mir Gott, bei Dir allein
Ist Rettung in der Noth;
Ach! schütze, schütze mein trautes Kind,
Ach! rett es vom grausamen Tod.“

Die Mutter in ihres Herzens Noth
Zur Eberhardsklaus' hinflieht,
Es wird das Herz ihr leichter, als sie
Vor der reinen Jungfrau kniet.
Indeß war der zweit' und dritte Tag hin,
Der vierte Tag auch vergeht:
„Ach leset die Meß für mein Kind und mich,
Herr Pater!“ die Mutter fleht.

Und als für das arme Kindlein empor
Der Priester die Hostie hebt,
Da tönet hell aus dem dunklen Wald
Ein Stimmchen: „Eu'r Töchterlein lebt.“
Sie stürzen hinzu, da sitzet das Kind
Holdselig in Engelsgestalt,
Ein Blumenkranz um das blonde Haar,
Das lockig sein Antlitz umwallt.

Und Blumen hält die linke Hand,
Die recht einen grünen Zweig.
„Gefunden, gefunden mein trautes Kind,
Ich Arme, ich bin wieder reich.“
„Wo bist du gewesen, wer hat dich genährt?“
Ruft die Mutter tief gerührt.
„Lieb' Mutter ist stets gewesen bei mir,
Lieb' Mutter hat mich geführt.“

„Es hat lieb Mutter getragen ein Licht,
Ein Hündlein lief dabei,
Das Hündlein war so weiß wie Schnee,
Es war so freundlich und treu.“
„Das war die Mutter Gottes, mein Kind,
Sie hat dich vom Tode befreit
In Eberhardsklaus' hab ich zu ihr geweint,
Sie wandt in Freude mein Leid.“
„Kommt, danket mit mir in Eberhardsklaus!“
Sie gehen und opfern den Kranz,
Die Blumen, das Zweiglein, und Wunder! die blühen
Noch stets und in ewigem Glanz.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847