<<< zurück | Sagen des Eifellandes | weiter >>>

Der durchlöcherte Harnisch

Zu Ende des 15. Jahrhunderts lebte auf Elz die schöne Agnes, Tochter des Burggrafen. Schon in der Wiege verlobten die Eltern, nach damaliger Sitte, sie mit dem Söhnlein des Ritters von Braunsberg. Die Kinder wuchsen heran, schienen aber schlecht zu einander zu passen. Während das Mädchen sanft und geduldig nur selten von Leidenschaften überwältigt wurde, verrieth der Jüngling eine Heftigkeit, ein Aufbrausen, das sich mit dem stillen Sinn seiner Braut übel vertrug. Sie waren jetzt in die Jahre gekommen, in welchen man den jungen Ritter öfters mit seiner Verlobten allein ließ, damit sich ihre Herzen zusammenfinden möchten. Obgleich das Mädchen ihren Vater oft unter Thränen bat, ihr Geschick nicht an das des rauhen Mannes zu ketten, so stieß dieser sie doch kalt zurück; denn die Verbindung versprach ihm allzugroße Vortheile. Der Tag, an welchem sie im Beisein der beiderseitigen Familien mit einander verlobt werden sollten, war herangekommen.

In dem großen Rittersaal zu Elz saßen in steifer Tracht die Matronen, die gestrengen Ritter, so wie die jüngern Leute. Festlich geschmückt harrte der junge Braunsberg seiner Braut. Endlich trat sie in den Saal, allein ihrer kummervollen Miene, den verweinten Augen sah man es deutlich an, wie schwer ihr der Gang wurde. Der Ritter runzelte die Stirn und geleitete sie ziemlich unsanft zu ihrem Sitz. Dann begannen die Unterhandlungen; hin und her wurden Forderungen gethan und verworfen und der Burgschreiber hatte vollauf zu thun. Mancher Bogen Pergament ward verkritzelt, ehe Alles in's gehörige Geleise gebracht wurde.

Agnes hatte Allem mit peinlicher Unruhe zugehört; als sich aber Braunsberg erhob und ihr mit unfreundlicher Stimme den ersten Verlobungskuß abforderte, empörte sich ihr jungfräulicher Sinn und sie sträubte sich, dem ungeliebten Mann das Liebeszeichen zu gewähren. Da brach der langverhaltene Grimm des Ritters tobend aus; mit heftigen Scheltworten strafte er die Ungehorsame, ja er vergaß sich in seinem Zorn soweit, daß er ihr den eisernen Handschuh in das zarte Gesicht warf. Das konnten die Elzer Herren doch nicht gleichgiltig anschauen; die Brüder, die Vettern, ja der alte Burggraf selbst erhoben sich entrüstet; schon waren die Schwerter blank, als sich Agnes dazwischen warf und die Männer beschwor, den heiligen Burgfrieden nicht zu brechen.

Die Braunsberger zogen drohend ab und schon den andern Tag gelangte ihr Fehde- und Absagebrief auf Schloß Elz an. Ein langwieriger Kampf entspann sich; keine der Parteien gab nach; keine hörte auf die Ermahnungen der Erzbischöfe zu Köln und Trier. Ein volles Jahr dauerte nun schon die Fehde und noch war an keine Beilegung des unseligen Zwistes zu denken, als die Braunsberger die List zu Hilfe nahmen. Sie wußten den Burggrafen mit all seinen Söhnen und Vettern zur Belagerung ihrer Feste aus Elz zu locken, und während mithin die beste Mannschaft entfernt war, beschloß der verschmähte Bräutigam einen Ueberfall. Zur nächtlichen Stunde rückte er mit einer kleinen, aber auserwählten Schaar den steilen Felsenpfad hinan. Vertraut mit allen Oertlichkeiten, drang er in den vordern Hof, noch ehe der träge Wächter aus seinem Schlaf erwacht war. Hier aber ward die kühne Schaar durch das große innere Thor aufgehalten und ob ihres Tobens erwachte die ganze Besatzung.

Agnes war die erste, welche von ihrem Lager aufsprang, sie stieß das Fenster auf und übersah, bei dem hellen Scheine des Vollmondes, mit einem Blick das Drohende der Gefahr. Nur Eile und Entschlossenheit konnten hier retten; welch' Geschick erwartete sie, wenn sich Braunsberg ihrer wieder bemächtigte? Dieser Gedanke beseelte sie plötzlich mit einem Muthe, der ihrem Geschlechte nur selten eigen wird. Sie riß den Prunkharnisch ihres jüngsten Bruders von der Wand, wählte das leichteste Schwert und stürzte, halb gewappnet, in den Burghof, wo die wenigen Mannen und Reisigen rathlos beisammen standen.

Als sie die geliebte Tochter ihres Ritters in solcher Verzweiflung sahen, schämten sie sich ihrer Zaghaftigkeit. Alle stürzten, durch ihre Anrede begeistert, durch ein kleines Ausfallpförtchen in den Rücken der nächtlichen Angreifer. Agnes eilte in ihrer edlen Begeisterung Allen voran, allein die erste Kugel aus dem Faustrohr des Ritters von Braunsberg traf sie, und zu Tode verwundet stürzte sie auf das harte Gestein. Kaum sahen die Elzer das hochverehrte Burgfräulein fallen, als sie mit einem unbeschreiblichen Grimm über die Feinde herfielen. Zuerst sank der schändliche Bräutigam, schwer getroffen von einem Kolbenschlag, rechts und links stürzten seine Begleiter und nur Einer entrann, um die traurige Mähr anzusagen. Nach dem Tode derer, die die langwierige Fehde veranlaßt, schlossen die Parteien Sühne.

Allein noch bis vor Kurzem zeigte man in der Rüstkammer zu Schloß Elz jenen weiblichen Brustpanzer von einer Kugel durch löchert, und das oben erwähnte Burghaus steht seit der Zeit verödet; denn in den einsamen Räumen wandelt der Geist der unglücklichen Agnes.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847