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Der Hochsimmerberg

Hochsimmern heißt die Feste,
Wo der Pfalzgraf Siegfried saß,
Der im Schwarm erlauchter Gäste
Genovefen's nicht vergaß.
Uebt er jetzt des Wirthes Pflichten,
Dünkt das volle Haus ihm leer;
Wohl er konnte sie vernichten,
Sie entbehren, das ist schwer.

Doch erträglich sind die Tage,
Wären nur die Nächte nicht;
Denn ihm naht zu arger Plage,
Immer Nachts ein Traumgesicht.
Heute von der Drachenschlange
War sein liebstes Lieb bedroht,
Hilfe, Hilfe! rief sie bange, –
Niemand half ihr in der Noth.

Diesen schweren Traum am Morgen
Sagt er Golo'n, seinem Rath:
„Glaube mir, ich bin in Sorgen
Um die übereilte That.
Selber schien ich mir der Drache,
Der ich dieses Weib verdarb;
Nie verhört' ich ihre Sache,
Wehe, wenn sie schuldlos starb!“

Golo sprach mit falschem Munde:
„Deuten kann ich diesen Traum.
Aus dem Worte fließt die Kunde
Und dem Zweifel bleibt nicht Raum.
Drako hieß, der sie verführte,
Drako, der verruchte Koch,
Er empfing, was ihm gebührte,
Pfalzgraf, und Ihr zweifelt noch?“

Tages läßt er sich bethören,
Aber wahrhaft ist die Nacht;
Wieder muß der Traum ihn stören,
Der ihm angst und bang gemacht.
„Jagdgesinde, hetzt die Hunde!“
Ruft er Morgens, daß es schallt;
Einer fleckenlosen Hinde
Folgt er jetzt durch Busch und Wald.

Flüchtig ist sie, mit den langen
Läufen wirft sie Schnee empor,
Roß und Reiter, sie zu fangen,
Setzen über Stein und Moor;
Endlich schießt sein Pfeil sie wund,
Aber noch mit blut'gen Weichen
Birgt sie sich im Waldesgrund.
Siegfried folgt, die Lust zu büßen,
Sieh! da liegt das zahme Wild
Einer schönen Frau zu Füßen,
Die der Wunde Fluß ihm stillt.

Und die Frau umspielt ein Knabe,
Wie die Mutter schön und bleich;
Langentbehrten jeder Labe
Genovefa, Schmerzenreich.
Blos sind ihre edlen Glieder;
Wallen auch von Haupt und Fuß
Gold'ne Locken reichlich nieder,
Schreckt sie doch des Fremden Gruß.

„Mußt mir erst den Mantel reichen,
Wenn ich mit Dir reden soll.“
Lange weilt er bei der Bleichen,
Und ward aller Freude voll.
Frau und Knabe sind die Seinen,
Die der Hinde Milch ernährt;
Simmern wird vor Freude weinen,
Wenn er mit der Lieben kehrt.

Jauchzend hören alle Gäste,
Welch ein Wunder Gott erlaubt,
Und vom hohen Thor der Feste
Blicket Golo's blutges Haupt.

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Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847