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Die heiligen drei Jungfrauen

  Dr. Schneider

In der Vorzeit grauen Tagen lebten zu Mans, in dem Frankenlande, drei Jungfrauen und Schwestern: Jrmina, Chlotildis und Adela, Gott und dem Gebete geweiht in des Klosters stiller Einsamkeit. Wie bei der Rose, der Königin der Blumen, mit dem süßen Wohlgeruche der purpurne Blätterschmuck vermählt ist; so war mit der Schwestern innerer Frömmigkeit und Reinheit der Zauber äußerer Wohlgestalt verbunden.

Auf dem fränkischen Throne saß König Dagobert I., ein Wütherich und Wüstling. Kaum war der Ruf von der aus gezeichneten Schönheit der drei Jungfrauen zu seinem Ohr gelangt und ihr Aufenthaltsort von Bechar, dem Vertrauten des Königs, erforscht, als er schon mit seinen Reisigen nach dem Kloster zu Mans aufbrach. Hier fand er die, so er suchte, aber siehe! es waren seine leiblichen Schwestern, die ihm voll Unschuld und Sittsamkeit entgegentraten. Nichtsdestoweniger ließ sie der König an seinen Hof bringen, und versuchte es allda durch allerlei teuflische Ränke, ihre jungfräuliche Tugend wankend zu machen, – aber vergebens.

Da entbrannte der Tyrann in grimmiger Wuth und befahl, die drei Jungfrauen in einen finsteren Kerker zu werfen und daselbst elendiglich umkommen zu lassen. Aber der Himmel verließ seine Geweihten nicht; ein fränkischer Kriegsoberster, Namens Norbert, befreite die Jungfrauen des Nachts mit seinen Mannen aus dem Kerker und entfloh mit ihnen nach Deutschland.

Kaum hatte dieß der König erfahren, so setzte er zornigen Muthes ihnen augenblicks mit seinem ganzen Kriegsheere nach, und erreichte die Entflohenen in den Eifelgebirgen, wo er Norbert's Schaaren sämmtlich erschlug. Durch einen glücklichen Zufall hatten sich aber die drei Königsschwestern Tags zuvor von ihren Begleitern entfernt, und waren eben auf die schroffen Höhen bei Auw geflüchtet, als sie plötzlich ihre Verfolger, die zu ihrer Aufsuchung im Gebirge umherstreiften, dicht im Rücken gewahrten.

Was war zu thun? Vor sich das tiefe Thal der reißenden Kyll, seitwärts jähe Schlünde und hinter sich die wüthenden Kriegsknechte mit blitzenden Schwertern; in der Noth sandten die Schwestern ein inbrünstiges Gebet zum Himmel, setzten sich dann auf das Eselein, welches ihre Habseligkeiten trug – und sprangen in vollem Vertrauen auf den Beistand des Allmächtigen muthig über den Kyllfluß hinüber. Ihre Verfolger aber kehrten, als sie sich durch dieses Wunder um ihre Beute betrogen sahen, unter Verwünschungen und Flüchen nach Hause zurück.

Eine nahe gelegene Felswand wird noch heutzutage von dem Volke das „Eselchen“ genannt. Die Stelle, von wo aus die drei Jungfrauen den kühnen Sprung wagten, ist mit einem Kreuze bezeichnet, ebenso wie der Ort, wo sie am jenseitigen Ufer anlangten. Auf jenem liest man folgende Worte:

„Hie sein zu sehen Wundermahl,
So hinterließ dazumal,
Da der heiligen Jungfrauen drei
Wurden verfolgt hie vorbei.
Der Esel darauf sie sasen,
Wollt sie doch nicht verlasen,
Und ihr Leben zu gewinnen
Gleich über die Kyll thut springen,
Selbe auf dem Ufer setzet
Ganz unverletzet.“

Die Leichname der erschlagenen Kriegsleute Norbert's begruben die geretteten Jungfrauen unweit des Dorfes und bauten ein Kirchlein darüber.

Quelle: J.H.Schmitz, Sagen des Eifellandes, 1. Band, Trier 1847