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Friedrich Wilhelm IV. und der Pahlsdorfer Schäfer

In Pahlsdorf lebte nach dem Franzosenkriege ein Schäfer, der war ein sehr kluger Mann und konnte alle Krankheiten heilen. Er hatte das von seinem Vater gelernt, der war Scharfrichter. Aber er war sehr viel mal klüger, und die Leute kamen von weit her, auch mit Kutschen, und er mußte alle gesund machen. Und er brauchte sie nur anzusehen, dann wußte er ihre Krankheit und sagte die Mittel dazu. Und die Leute brauchten gar nicht zu kommen, wenn sie nur ein Stück schickten, was sie angehabt hatten, dann konnte er ihnen schon helfen. Er war sehr wundertätig. Einmal kam am Abend eine Kutsche angefahren, und darin war ein kranker Mann. Der wollte gleich zum Schäfer. Aber der ließ es nicht, denn die Leute kamen nach der Reihe, und es waren noch ein paar arme Leute vorher dran. Endlich konnte der vornehme Mann auch in die Stube gehen. Der alte Schäfer sah den Mann an, und ehe der gesagt hatte, was ihm fehlte, sagte der Schäfer: Er hat die Wassersucht. Er muß nicht so sehr saufen, sonst steigt ihm das Wasser ins Gehirn und er wird verrückt. Da verfärbte sich der reiche Mann und erschrak sich und ging davon. Aber als er in der Kutsche wieder nach dem Sonnewaldschen Schlosse fuhr, schickte er dem Schäfer eine Handvoll Goldstücke in die Stube. Der nahm sie und sagte: die sind für die Armen, und ich muß die Wahrheit sagen, auch wenn es dem König nicht gefällt. Und wie es der Pahlsdorfer Schäfer gesagt hatte, so kam es auch, und als der König ganz schlimm war, holte man den Schäfer nach Berlin ins Schloß. Er konnte aber auch nicht mehr helfen, weil Friedrich Wilhelm IV. nicht rechtzeitig auf ihn gehört hatte.

Quelle: Robert Scharnweber & Otto Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau N.-L., Berlin 1933