<<< vorherige Sage | XXXV. Schatzsagen | nächste Sage >>>

Thu' Du es

  Cottbus

Bei einem Gutsherrn in Cottbus konnten es die Dienstmädchen nicht aushalten. Jede Nacht erschien Etwas an ihrem Bette. Davor entsetzten sie sich so, dass sie stets nach wenigen Tagen den Dienst aufgaben. Einst trat ein Mädchen in den Dienst, welches fest entschlossen war, denselben nicht aufzugeben, es geschehe, was da wolle. Als es Abend wurde, legte sich das Mädchen zu Bette. In der Nacht trat ein Mütterchen an ihr Bett und sprach: „Blau Flämmchen, Hanka geh in den Keller.“ Da erfasste das Mädchen dennoch ein Grauen und es kroch unter die Decke. In den folgenden Nächten hatte es dieselbe Erscheinung. Endlich entschloss sich die Magd, zum Pfarrer zu gehen und ihm das Begebniss mitzutheilen. Der Pfarrer rieth ihr, sie solle dem Mütterchen folgen, stets aber, wenn dasselbe von ihr etwas verlange, antworten: „Thu' Du es.“

In der folgenden Nacht, als das Mädchen sich wieder zu Bett gelegt hatte, erschien das Mütterchen wieder und sprach: „Blau Flämmchen, Hanka geh in den Keller.“ Das Mädchen erwiederte: „Thu' Du es.“ Darauf ging das Mütterchen voran, Hanka aber folgte. Als sie an die Kammerthür kamen, fanden sie dieselbe verschlossen. Da sprach das Mütterchen: „Hanka, schliess auf.“ Diese aber antwortete: „Thu' Du es.“ Da hauchte das Mütterchen in das Schloss hinein; sofort sprang die Thür auf. Darauf trat das Mütterchen in den Keller, das Mädchen folgte ihm. In einer Ecke des Kellers spielte em blaues Flämmchen über der Erde. Das alte Mütterchen ergriff eine Schippe und sprach zu dem Mädchen: „Grabe nach.“ Das Mädchen aber erwiederte: „Thu' Du es.“ Darauf grub das Mütterchen nach. Bald stiess es auf einen Topf mit Gold. Den hob das Mütterchen aus der Erde und trug ihn dem Mädchen auf die Kammer. Das Mädchen legte sich zu Bett und schlief ruhig ein, als ob nichts geschehen wäre.

Am andern Morgen glaubte es geträumt zu haben, allein vor seinem Bett stand richtig ein Topf mit Gold. So war das Mädchen sehr reich geworden. Nachträglich stellte sich heraus, dass einst eine alte, sehr geizige Frau das Geld vergraben hatte. Sie hatte aber im Grabe keine Ruhe gefunden, bis ihr vergrabener Schatz wieder an das Licht gekommen war.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880