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Die Wunderblume vom Koschenberg

  Gross-Koschen

Vor vielen Jahren hütete einmal ein Schäfer am Koschenberge seine Schafe. Die Schafe gingen langsam von Ort zu Ort, indem sie Weide suchten. Der Schäfer folgte der Heerde. Da sah er in einiger Entfernung eine wunderschöne Blume blühen: man nennt dieselbe „Schlüssel zum Koschenberge“. Man sagt auch, dass sie alle hundert Jahre nur einmal blüht. Der Schäfer hatte nie etwas von dieser Blume gehört. Er pflückte dieselbe und steckte sie an seinen Hut. Kaum hatte er das gethan, so erscholl ein halblautes Krachen, der Berg that sich auf und eine Thür, welche sichtbar wurde, öffnete sich. Erst war der Schäfer von dem Vorgange ganz entsetzt, dann aber fasste er Muth, ging auf die Thür zu und trat in den Berg ein. Bald erblickte er einen Tisch, um welchen viele Männer sassen. Einer von diesen Männern trat auf den Schäfer zu und winkte ihm, er solle sich Gold aus den Gefässen nehmen, welche rings an den Wänden des Gemaches standen. Der Schäfer machte sich sogleich daran und füllte alle Taschen mit dem Golde. Bei der Arbeit war ihm sein Hut im Wege; deshalb setzte er ihn ab. Als er genug zu haben glaubte, wollte er gehen. Eine Stimme aber rief ihm zu: „Vergiss Dein Bestes nicht!“ Der Schäfer glaubte, es sei Gold gemeint; deshalb steckte er noch einmal davon ein, so viel er konnte. Als er gehen wollte, rief wiederum eine Stimme: „Vergiss Dein Bestes nicht!“ Dieselben Worte wurden zum dritten Male laut, als der Schäfer den Berg verliess. Er aber achtete der Worte nicht.

Kaum war er wieder bei seiner Heerde, so erscholl ein lantes Krachen, die Thür verschwand und der Berg schloss sich wieder. Nun wollte der Schäfer noch einmal die schöne Blume besehen: da fiel ihm erst ein, dass er Hut und Blume im Berge hatte liegen lassen; das ärgerte ihn und er rief: „O, Schade!“

Von dem Gelde kaufte er sich ein Rittergut. Weil der Schäfer „O, Schade“ rief, als er den Verlust der Blume merkte, so wurde das Rittergut nach seinem Ausrufe Skado genannt.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880