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Der Sau an den Schwanz gepackt

  Gross-Döbern

Ein Hirt hütete einst auf einem Berge nicht weit von Gross-Döbern die Schweine. Eines Tages, als er die Heerde heimtreiben wollte, bemerkte er, dass eine Sau mit ihren Ferkeln verschwunden war. So viel Mühe er sich auch gab, dieselbe aufzusuchen, er fand sie nicht. Am andern Morgen jedoch, als der Hirt mit seiner Heerde wieder am Berge war, stellte sich die Sau mit ihren Ferkeln bei der Heerde wieder ein.

Das Alles kam dem Hirten sehr sonderbar vor. Im Laufe des Tages gab der Hirt auf die Sau genau Achtung. Plötzlich merkte er, dass sie ihre Ferkel grunzend zusammenrief. Er schlich der Sau nach, als sich dieselbe von der Heerde entfernte. Da sah er, wie sie Anstalt machte, in ein Loch zu kriechen. Schnell entschlossen ergriff er ihren Schwanz und liess sich von ihr mit in das Loch, welches sich bald zu einer Art von Höhle erweiterte, hineinziehen. Als er darin war, sah er in der Höhle einen grossen Schatz. Er füllte seine Taschen mit Goldstücken und liess sich von der Sau, welche in der Höhle keine Ruhe hatte, weil der Hirt bei ihr war, wieder auf die Oberfläche ziehen. Darauf ging er zu seinem Gutsherrn und bat diesen, er möchte ihm doch seine Goldstücke umwechseln und Silbergeld geben. Der Gutsherr erfüllte seinen Wunsch, fragte ihn aber aus. wo er das Geld her habe. Der Hirt verrieth sein Geheimniss nicht.

Am folgenden Tage liess sich der Hirt wiederum von der Sau in das Loch ziehen. Als er seine Taschen mit Gold gefüllt hatte; rief eine Stimme: „Das wird Dein Tod sein!“ Und so geschah es. Als er nämlich wiederum mit den Goldstücken zum Gutsherrn kam und wieder nicht sagen wollte, woher er das Geld habe, ward dieser zornig und liess den Hirten in einen Brunnen stürzen, in welchem derselbe ertrank.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880