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Die Schandauer Ratsstube

  Erpe in «Über Berg und Tal», 1912, Nr. 9, S. 116; 
  nach dem Volksmunde.

In alten Zeiten, als sich in Hohnstein noch das Gerichtsamt für die ganze Sächsische Schweiz auf dem rechten Elbufer befand, brach einmal unter den Schandauer Ratsherren ein heftiger Zwist aus.

Beide Parteien machten sich auf den Weg nach Hohnstein, wo die Sache entschieden werden sollte. Ihr Weg führte durch den Tiefen Grund. Hier aber überraschte sie ein schweres Gewitter. Da kein anderer Unterschlupf in der Nähe war, mußten sich beide Parteien wohl oder übel bequemen, unter einer kleinen Felsengrotte, die oberhalb der sogenannten Sense rechts der Straße zwischen den Steinen 3,6 und 3,7 liegt, Zuflucht zu suchen. Immer lauter rollte der Donner, immer heftiger peitschte der Regen, und immer näher mußten sie aneinander rücken, um nicht naß zu werden. Mag nun das furchtbare Naturschauspiel und die gemeinsame Gefahr sie milder gestimmt haben, oder mögen durch das nahe Beisammensitzen auch ihre Herzen erwärmt worden sein, oder war es die Erkenntnis, daß nur der leidige Streit sie in diese schlimme Lage gebracht hatte - beide Parteien versöhnten sich und traten, als das Unwetter vorbei war, in Frieden den Heimweg an. Seitdem heißt dieser Ort die Schandauer Ratsstube.

Anm.: Schon um 1713 schreibt der Hohnsteiner Pfarrer Michael Weiße in seinen «Memorabilien bey dem Berg-Schlosse Hohenstein»: «Unter dem Felsen [des Tiefen Grundes] ist das Schandauer Rathauß, wenn die Schandauer ins Amt gehen, halten sie erst unter einer Höhle dieses Felsens Rath.»

Quellen: