<<< zurück | Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete | weiter >>>

Die Martertelle bei Rathen

  M. I, Nr. 84; 
  Süße, Historie des Städtgens Königstein, 1755, S. 226; 
  Götzinger, Schandau, 1804, S. 108 f.; 
  Albina, S. 42; 
  Ziehnert, S. 514.

Bei Rathen hat es einstmals zwey Schlosser gegeben, von denen das untere, Alt-Rathen genannt, in den Hussitenkriegen zergangen ist das obere Schloß aber, neben der Bastei, das man später den Neu-Rathen hieß, weil es in den Schwedenkriegen von den Umwohnern als unzugänglicher Zufluchtsort benutzt wurde, ist schon im eilften Jahrhundert zerstöret worden, da Kaiser Heinrich IV. vollends die Austilgung der Sorbenwenden hinausführete, welche Kaiser Henricus Auceps (= König Heinrich der Vogler) angefangen hatte. Es soll dieser feste Ort dazumal bey allzu großer Sicherheit der Sorbenwenden von denen Deutschen dennoch einstens unvermuthet überstiegen worden seyn, da denn, als die Deutschen ihre Kriegszeichen vor dem Schlosse gegeben, die Sorbenwenden beym ersten Schrecken großen Theils sich in den Räthner Grund hinabgestürzet, wie man denn noch (1755) den Ort des Abgrundes zeigt, wo dieses Herabsprüngen und Stürzen geschehen, und einige wollen noch in dem Räthner Grunde außerordentlich große Menschengebeine von den allda verunglückten Sorbenwenden entdecket zu haben.

Außer vielen Totenköpfen und Menschenknochen will man in der Schlucht Sporen, Pfeilspitzen und Steinkugeln gefunden haben. Der Ort aber wird um jenes wilden Ereignisses willen die Martertelle genannt.

Anm.: Die Burg Alt-Rathen wird im Jahre 1261 erstmals in einer Urkunde erwähnt. 1361 wird vom Bestand zweier Burgen (Alt- und Neurathen) geschrieben. Diese beiden Burgen wurden durch mehrfache Belagerungen im 15. Jahrhundert zerstört. Der Name «Martertelle» soll aus Mardertelle entstanden sein. Der Abgrund heißt auch Vogeltelle. Bis in die jüngste Vergangenheit wurden im Bereich beider Burgen immer wieder Lese- und Grabungsfunde gemacht, die vom Leben auf den Burgen Kunde geben.

Quellen: