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Der Schatz an der Stolpener Stadtmauer

  Mitgeteilt von Herbert Schmolke; nach dem Volksmunde.

An der alten Stadtmauer von Stolpen ist unbedingt ein Schatz vergraben. Es ist eine Stelle zwischen zwei Häusern (Wiegand und Schmidt). Wer nicht so einer von den neumodischen Besserwissern ist, der sieht nachts zwischen 12 und 1 Uhr eine stille, weiße Flamme in dem Garten stehen. Er muß aber an einem Sonntage geboren und an einem Palmsonntage getauft sein, sonst hilft's ihm nichts. Wenn er nun zu der weißen Flamme geht, so muß er sprechen: «Flamme, weiße, weiche komm, ich will dich erlösen, und du sollst mir deine Schätze geben.» Dann muß er die weiße Flamme in seine Arme schließen. Da wird aus der Flamme eine weiße Lilie. Wo die ihre Wurzeln hat, liegt der Schatz, und wenn man die Wurzeln ausgegraben hat, so steht eine weiße Jungfrau da, die muß man heiraten, und dazu kriegt man einen unendlichen Schatz.

Wie die verwunschene Jungfrau hierher kommt und warum sie den Schatz bewachen muß, weiß niemand. Manche sagen, daß es ein Bürgermädchen sei, die mit all ihrem Golde ihren Liebsten freikaufen wollte, den die Kroaten gefangen hatten. Beim Sprung über die Mauer sei sie verunglückt. Andere wieder meinen, es sei die Gräfin Cosel oder ein adeliges Fräulein aus der Zeit, da nur eine Burg, aber keine Stadt hier gestanden hat.

Leute, die am Palmsonntage geboren sind, und zwar während des Mittagslautens, haben auch um die Flamme eine weiße Gestalt schreiten sehen, die eine Kerze in der Hand hielt. Das würde nun eher darauf deuten, daß die Gräfin Cosel ihre Schätze, die sie in sichere Verstecke gebracht hat, sucht. (Vgl. über die Cosel Nr. 5.)

Quellen: