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Die steinernen Gäste

  M. I. Nr. 42; II, Nr. 671; 
  nach Pilk, Neukirch a. H., Meißen 1889, S. 83.

In der südlichen Vorhalle der Kirche zu Neukirch befanden sich ehemals die Grabmalsplatten zweier Ritter angelehnt. Einst war am Kirmesfeste der Müller aus der Haarthmühle zur Kirche gegangen. Beim Verlassen des Gotteshauses fielen seine Blicke auf jene steinernen Bildnisse und in aufquellender Spottlust lispelte er: „Ihr kinnt mir zer Hermst kommen!“ - Der Tag verstrich unter froher Geselligkeit, und die Nacht brach herein. Da ertönte ein Klopfen, und die gebetenen Gäste, die steinernen Ritter, traten festen Schrittes ins Zimmer des Müllers. Sie setzten sich zur Tafel, sprachen den aufgetragenen Speisen unmäßig zu und machten keine Miene wieder aufzubrechen. In namenloser Angst schickte der Müller zum Pfarrer Klunge. Dieser erteilte den Boten den Rat, man möchte den Rittern je ein Brot vorlegen, auf welches das früher mehrfach gebräuchliche Zeichen eines Schlüssels eingebacken wäre. Zum Glück waren zwei solcher Brote noch vorhanden. Kaum hatte man dieselben auf den Tisch gebracht, als sich die Ritter auch schon erhoben und zum Weggehen anschickten. Der Müller aber mußte die Schatten geleiten bis an die Friedhofsmauer, über welche sie hinwegsprangen, um darauf zu verschwinden. (Vgl. Nr. 91.)

Quellen: