<<< zurück | Sagenbuch der Sächsischen Schweiz und ihrer Randgebiete | weiter >>>

Der Sebnitzer Poltergeist

  M. I, Nr. 25; lI, Nr. 346. 
  Nach einer Predigt von Joh. Wilisch, Pfarrer zu Sebnitz, Dresden 1654

In dem Städtlein Sebnitz hat es sich begeben und zugetragen, daß etliche Wochen nacheinander, gegen Abend in der Dämmerung, wenn man ein Licht anzünden wollte, ein schrecklicher Poltergeist sich hören lassen, der auf ein Häuslein eines Bürgers und Schneiders allda, Hans Ackermanns, mit Steinen und Erdklösen geworfen und hineingestürmt, daß an desselben Fenster und Türen groß Schaden geschehen. Weil man aber nicht anders vermeinte, es wären böse Leute, hat E.E. Rat deswegen Wache anlegen zu lassen. Da solches geschehen, hat sich der böse Geist in gedachtem Häuslein an vier unterschiedenen Orten und Enden mit schwarzen Kohlen abgerissen (abgezeichnet) und angeschrieben, da er zuvor Ofen und Fenster eingeschlagen, Tische und Bänke über einen Haufen geworfen und das Bette, darinnen diese zwei alten Eheleute gelegen, auch das oberste zu unterst gestürzt. Welches alles E.E. Rat dem Pfarrherren persönlich angezeigt, der alsobald hingegangen und es also befunden hat, darauf er zu einem jeden Abriß diese Worte unterschrieben:

Des Weibes Samen soll der Schlange den Kopf zertreten. Gen. 3, V. 15.

Nachdem aber das Weib solch unruhiges, teufliches Wesen nicht länger anhören, auch wegen Furcht nicht mehr im Häuslein bleiben wollte, weil der Mann etliche Tage verreist war, begab sie sich selbigen Abends zu des Nachbarn Hausgenossen, einem Exulanten und Leineweber Jakob Hessen, und lag auf seinem Boden über der Stuben. Ungefähr um 10 Uhr zur Nacht, sähet sich ein Geräusch oben an und fället Leumen von der Decke und mühlet dadurch Staub herunter. Sie sehen nauf zum Weibe; das sagt, das Gespenst sei aber dar, es hätte auf dem Bette nach ihr gegriffen, denn abends, da sie hinübergehet zum Nachbar höret sie eine Stimme, so ihr nachgeschrieen: Ich komme auch nach, welches geschehen. Folgenden Tages, es war der 15. Martii, in des Hausgenossen Stüblein hat sich der höllische Geist abermal in der Hellen an die Wand angemalet nebens einem Sarge mit einem weißen Tuche bedeckt, darbei ein Mann gestanden, auch ein großes Stück, aus welchem Rauch gegangen, angezeichnet. Und welches noch das schrecklichste ist, so ist's in dem ersten Häuslein am hellen lichten Tage, früh vor Mittage zwischen 9 und 10 Uhr, in des Nachbars Stuben aber ungefähr zwischen 2 und 3 Uhr nach Mittage, im Beisein ehrlicher Leute, indem sie den Sarg und das andere abgewischt, alsobald wiederum und ehe sie sich umgewendet, von neuem angeschrieben worden, wie es vorhin gewesen. Welches ein großes Wunder, das auch sonderbares Schrecken bei jungen und bei alten Leuten zu wege gebracht usw.

Anm.: Diese interessante, von dem Aberglauben der Zeit nach dem 30jährigen Kriege trauriges Zeugnis ablegende Predigt ist in der Landesbibliothek zu Dresden aufbewahrt und trägt den Titel: „Sebnitzer Polter-Geist, das ist eine Predigt von Gespensten und Polter-Geistern, dergleichen im Martio, etliche Wochen nacheinander, in einem Häuslein allhier sich hören lassen! Aus den Worten Christi, ex. Luc. 24. Cap. v. 39. 40. Erkläret und ausgeleget am 1. Sonntage nach OStern bey volkreicher Versammlung in der Kirchen zu Sebnitz, Von M. Johanne Wilischio, Pfarrern daselbst, Apoc. 12. c. V 12. Wehe denen, die auff Erden wohnen, und auff dem Meere, dann der Teufel kömmt zu euch hinab, und hat einen großen Zorn, und weiß, daß er wenig Zeit hat.“ Dreßden. Gedruckt durch Melchior Bergen 1654. - Über Poltergeister in Sachsen siehe Meiche, II, Nr. 336 - 349. Vgl. auch den Kobold im Pfarrhause zu Gröben im Altenburgischen bei Gräße, II, S. 359. Dieser Geist spukte von 1645 - 1718 und sein Auftreten rief eine ganze Gespensterliteratur hervor. - Über Poltergeister überhaupt vgl. Grimm, Deutsche Mythologie, 4. Ausgabe, S. 425 f. - Liebrecht, Zur Volkskunde, Heilbronn 1879. - Gerstäcker, Das gespaenstige Steinewerfen auf Java (In der „Gartenlaube“ 1871, S. 397 ff.). Der Glaube an dieses Steinwerfen ist auch unter den Peruanern verbreitet, ebenso in Rußland, Griechenland usw. - eine (wissenschaftliche) Erklärung versuchte Dr. Carl Du Prel: Die mystischen Wurfgeschosse in den Psychischen Studien XXI (1894), 11, S. 535 ff.

Quellen: