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Das Sensenduell im tiefen Grunde bei Hohnstein

  Götzinger, Schandau u. f. U. S. 199. 
  Albina, S. 65. 
  Gräße, 1874. Bd. I, S. 180. 
  Ziehnert, S. 513

In der Nähe der Wasserfälle, die das Waißdorfer Wasser und der Grundbach im tiefen Grunde bei Hohnstein bilden, erblickt man zwei in den Felsen gehauene Sensen und ein Kreuz mit der Jahrzahl 1699. Diese Zeichen erinnern an folgende Begebenheit (A. Tromlig, Romantische Wanderung durch die Sächsische Schweiz. Leipzig o. J. [um 1855] S. 141 ff.): Zwei Burschen aus Waizdorf, beide reich, hübsch und munter, warben um ein Mädchen, das beiden gleich gewogen war. Ihr Charakter mochte durch die Erzählungen ihres Vaters, eines alten preußischen Husaren, einen etwas überspannten Anstrich bekommen haben, denn sie erklärte nach langem Zögern auf dem Kirmesfeste ihren Bewerbern, dem mutigsten von ihnen ihre Hand geben zu wollen. Das Mädchen mußte recht brav und hübsch sein, denn die jungen Burschen, die sonst gute Freunde waren, und die nicht wußten, wo und wie sie ihren Mut beweisen sollten, beschlossen, sich im Zweikampfe zu messen. Im tiefen Grunde wollten sie zusammenkommen.

Sie benachrichtigten das Mädchen davon und verlangten von ihr, sie solle beim Kampfe gegenwärtig sein und den Vorgang verschweigen. Das thörichte Mädchen, dessen Eigenliebe sich geschmeichelt fühlte, glaubte, der Zweikampf werde nur ein Faustkampf sein, stellte sich zur bestimmten Zeit ein und findet die Burschen schon an Ort und Stelle, sonderbar zum Zweikampf geschmückt. Beide in leinene Jäckchen mit roten Bändern gekleidet, einen Strohhut auf dem Kopfe, an dem die Bänder flattern, die das Mädchen ihnen geschenkt hat, stehen sie mit neuen Sensen vor ihr und fragen sie, ob sie auch jetzt noch nicht einen von ihnen vorziehe. Verblendet beharrt sie auf ihrem Willen. Die Burschen reichen sich und ihr nun treuherzig die Hand, sagen sich Lebewohl und beginnen den Kampf. Beide bluten, das Mädchen schreit, bittet einzuhalten, will sich jetzt zwischen sie werfen, doch im selben Augenblicke fällt der eine tot nieder; die feindliche Sense hat ihm das Herz durchstochen. Ohne auf das Mädchen zu achten, stürzt sich der Sieger auf seinen Freund, jammert und klagt, aber die Klage weckt ihn nicht wieder auf. Da reicht die neben ihm Knieende dem Sieger die Hand, doch der stößt sie zurück, wirft sich noch einmal auf den toten Busenfreund, weint und klagt von neuem, springt dann auf und eilt fort.

In dem einjährigen, jetzt fast ganz vergessenen Kriege tritt eines Tages, als jenseits der Elbe das Lager der Preußen stand, ein preußischer Kürassier in die Waizdorfer Schenke ein, trinkt ruhig sein Glas Bier, fragt, wie es dem alten preußischen Husaren gehe und erhält zur Antwort, der sei längst tot, die Tochter aber noch zu haben. Da verläßt er schnell die Schenke, geht nach dem Hause des Verstorbenen und sieht dort das Mädchen mit ihrem Spinnrade vor der Thüre sizen. Kaum erkennt er sie wieder, so ist ihr Antlitz nach neun Jahren entstellt. Bleich, mager, das früher so feurige Auge ohne jeden Glanz, gleicht sie einer Blume, an deren Wurzel der Wurm nagt. Auf des Kürassiers „Guten Tag, Rose!“ stößt sie einen Schrei aus, springt auf und will ihn umarmen, doch „Gott mit Dir„ ruft jener in schmerzerfülltem Tone und geht fort nach dem tiefen Grunde. Hier finden ihn die Bauern, die dem Mörder nachgeeilt waren, um ihn festzunehmen, bei dem Grabe knieend beten. Als sie ihn umstellten, steht er ruhig auf, zieht seinen langen Pallasch und spricht: „Komme mir keiner in den Weg.“ Dann geht er langsamen Schrittes das Thal hinab, der Elbe zu. Die Leute folgen ihm auch dorthin, um ihn anderen Tages als Mörder anzuklagen. Aber am Morgen rief die Trompete zum Aufbruche, das Heer zog nach Böhmen, und seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört. Das Mädchen starb noch im nämlichen Jahre.

Quelle: Sagenbuch der Sächsischen Schweiz; Herausgegeben von Alfred Meiche, Leipzig 1894, Verlag von Bernhard Franke