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Der Mönch

  K. Aue

Mitten in Weimar steht das große düstere Kornhaus, sonst die Kirche des Klosters der Barfüßer oder Franziskaner, gegründet von Herzog Wilhelm III. auf Veranlassung des Bußpredigers Johann von Capistrano; ihr gegenüber an der Ecke der Rittergasse ein vormaliges Frauenkloster von dem Orden der Franziskaner dritter Regel, das später in ein anderes Haus der Rittergasse verlegt wurde. Das Kornhaus steht seit langer Zeit in dem Rufe, nicht geheuer zu sein. Als die Lehre Luther's sich verbreitete, fand sie auch Anhänger in diesem Kloster, die dafür von den Anderen schwer mißhandelt wurden, so daß mehrere verhungern mußten. Unter den Geretteten war ein gewisser Johann Vogt, nachher Professor in Wittenberg. Der Hauptquäler dieser Anhänger der neuen Lehre war der letzte Guardian des Klosters, von dessen Strafe nach dem Tode eine sehr anziehende Sage geht, die Gräbner in seiner deutschen Vaterlandskunde in dem Jahrgang 1828, S. 217 ff. freilich sehr ausgemalt unter der Ueberschrift Der Geist an der Ilm„ mitgetheilt hat. In der Kirche war das Grab des Gründers, dessen Leiche nach der Aufhebung in die Stadtkirche gebracht wurde. An diesem Grabe beteten die Mönche in der Nacht vor ihrem Abzuge nach Mainz. Das Kloster ist nur durch einen schmalen Hof, den Zeughof, von dem besprochenen Sitze des Criminalgerichtes getrennt, welches zuerst zu dem Kloster gehörte.

So viel Geschichtliches, um einige Sagen anzuknüpfen.

Allgemein ist die Rede, daß zu Zeiten ein grauer Mönch aus dem hintersten Thürchen des Kornhauses, das in den Zeughof führt, komme, und nachdem er durch das Thor geschritten sei, das den Hof zwischen dem Kornhause und dem Criminalgerichte schließt, in der Mauer des letzteren, wo nun Gefängnisse sind, verschwinde. So schaute eines Sonntags gegen 3 Uhr nach Mittag ein Mädchen aus ihrem Fenster in der Rittergasse, um die aus der Kirche Kommenden zu sehen. Als sie einmal die Augen nach der andern Seite wendete, wo das Kornhaus mit seinen Nebengebäuden ist, sah sie einen Mönch aus der lezten Thüre des Kornhauses durch den Zeughof kommen und in der Ecke bei dem Thore gleichsam in die Mauer verschwinden. Ein andermal gingen Abends drei Knaben aus einem Hause der kleinen windischen Gasse heim. Bei dem vormaligen Frauenkloster sprach der eine zu seinen Gefährten: Seht ihr den Mönch? “ Sie verneinten es. Der Knabe bebte den ganzen Weg vor Furcht und sagte zu Hause aus, der Mönch sei aus der Hauptthüre des Kornhauses gekommen und mit ihnen, aber auf der andern Seite, durch die Rittergasse gegangen, bis er am Ende derselben verschwand. Das Kind starb bald.

Quellen: